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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht
Autoren: Susan Peterson
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der Murray River so viel Wasser, dass sie es bis hier oben an ihr Schlafzimmerfenster brodeln und brausen hörte. In den Sommermonaten verlangsamte sich sein Lauf, bis er im Herbst so träge dahinfloss, dass man die weite Wasserfläche für einen See halten konnte. Ian hatte ihr erzählt, dass er nur von Wellington bis etwa fünfzig Meilen flussaufwärts so breit war. Am Oberlauf bei Moorundie musste er sich durch steile Felsklippen zwängen, und noch weiter nördlich konnte man ihn problemlos mit den Viehherden durchqueren.
    In den braunen, undurchsichtigen Fluten war das Speerfischen, eine Lieblingsbeschäftigung der männlichen Aborigines von sechs bis sechzig Jahren, nicht möglich. Sie behalfen sich mit Reusen und Netzen. In ihnen fingen sich erstaunlich viele Murray-cods, eine Art Barsch. Der Hauptteil des winterlichen Speiseplans bestand allerdings aus den Rhizomen des Schilfrohrs und den unterirdischen Wurzelknollen der murnong, einer Pflanze, deren Blüte an Löwenzahn erinnerte. Die Frauen gruben die Knollen mit ihren Grabstöcken, den katta, aus dem feuchten Boden und kochten sie in Erdöfen. Ähnlich verfuhren sie mit den Rhizomen des Schilfrohrs. Diese wurden von den äußeren, harten Scheiden befreit und die weichen Teile einfach zu einem Knoten zusammengebunden. Wenn man sie dann später auskaute, schmeckte es ähnlich wie Kartoffeln. Die Bewohner von Eden House waren vorigen Frühling einmal allesamt zu einem palti in King Georges Lager eingeladen gewesen und entsprechend bewirtet worden.
    Der Anlass des Festes war der übliche Frauentausch mit einem Stamm vom oberen Murray River gewesen. Wilde Gesellen mit Tierzähnen und Känguruknochen in den Nasenscheidewänden, von Kopf bis Fuß bemalt, hatten furchterregende Tänze aufgeführt. Besonders einer von ihnen hatte sich durch besondere Kühnheit hervorgetan. Als er plötzlich auf Heather zugestürmt war und mit seiner Speerspitze ihre Röcke angehoben hatte, hätte Ian ihn um ein Haar niedergeschlagen, was angesichts der bis an die Zähne bewaffneten Schwarzen äußerst unklug gewesen wäre. King George war glücklicherweise sofort eingeschritten, hatte den Mann zurechtgewiesen und erklärt, dieser hätte sich nur vergewissern wollen, ob die weißen Frauen tatsächlich richtige Beine unter ihren Röcken hätten.
    Mit leisem Schaudern erinnerte Dorothea sich an das ungewöhnliche Festmahl, bei dem sie die Ehrengäste gewesen waren. In Erinnerung an die fetten weißen Maden, die Jane als besondere Delikatesse angesehen hatte, hatte sie Ian leise gefragt, woraus die einzelnen, recht appetitlich duftenden Gerichte bestanden. » Glaub mir, es ist besser, du weißt es nicht«, hatte er geantwortet. Daraufhin hatte sie sich bemüht, nicht genauer anzusehen, was ihr in einem kunstvoll geflochtenen Körbchen gereicht wurde. Sie wünschte nur, Robert hätte ihr nicht mit den Worten: » Schau, Mama, die schmecken wirklich lecker. Probier einmal!« eine Bogong-Made unter die Nase gehalten. Das hatte ihre Beherrschung dann doch auf eine harte Probe gestellt. Ian war es gewesen, der ihr aus der Klemme geholfen hatte. » Ich glaube, deine Mutter zieht Krebse vor«, hatte er beiläufig gesagt, ihr den anstößigen Leckerbissen abgenommen und heldenhaft hinuntergeschluckt. » Willst du ihr nicht ein paar von der Feuerstelle dort drüben holen?«
    Es würde noch ein paar Monate dauern, bis sich die Wassermassen vom Oberlauf des Murray River, die über ein fein verzweigtes Netz aus Sielen und Bächen bis weit in die Ebenen auf beiden Uferseiten vorgedrungen waren, allmählich wieder im Flussbett sammeln würden. Die dadurch mit ausreichend Feuchtigkeit versorgten Wiesen und Weiden brachten vorzügliches Gras hervor. Im Frühjahr allerdings waren sie so dicht mit violetten, blauen und rosafarbenen Blütenteppichen überzogen, dass selbst Mrs. Perkins etwas von » zauberhaftem Anblick« murmelte. Leider hielt dieser Zauber nicht allzu lange an. Das wüchsige Grasland, weniger schön, dafür nützlich, diente dann den unzähligen Schafen der neu zugezogenen Viehbarone am Ostufer als Weidegrund.
    Natürlich führte das zu häufigen Auseinandersetzungen mit den Aborigines, die nicht einsahen, dass sie das Land, das sie doch als das ihre betrachteten, nicht mehr nach ihren Gewohnheiten nutzen können sollten. Einige Meilen flussabwärts gab es immer wieder Konflikte, weil die Viehhirten die Reusen und Netze des dort lebenden Stammes zerstörten. Zum Teil aus Übermut, zum
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