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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien
Autoren: Iny Lorentz
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toten Schafräuber in die nächste Schlucht zu werfen. Die Übrigen kommen mit mir!« Graf Roderich war zufrieden. Ein wenig bedauerte er es, den feindlichen Anführer nicht selbst getötet zu haben, doch sein Hengst war zu wertvoll, um ihn von einem Bergwilden aufspießen zu lassen. Außerdem war sein Gegner wie ein Dieb gekommenund hatte wie ein solcher geendet. »Auf geht’s, Männer! Wir haben noch einen kleinen Ausflug in die Berge vor uns. Ramiro, du nimmst zwei Reiter und bringst den Verletzten ein Stück über die Grenze und legst ihn dort neben die Straße. Achtet darauf, dass die Leute euch dort sehen, aber lasst euch nicht erwischen.«
    »Das werden wir gewiss nicht, Graf Roderich!« Ramiro hatte sich rechtzeitig daran erinnert, dass sein Herr die visigotische Form seines Namens der hispanischen Variante vorzog, und verabschiedete sich mit einem erwartungsfrohen Grinsen.
    »Ihr stoßt kurz vor unserem Ziel wieder zu uns. Und nun beeilt euch!« Der Graf winkte Ramiro und dessen Begleitern kurz zu und ritt dann an. Seine Schar folgte ihm im Bewusstsein des eben errungenen Sieges und war bereit, ihm bis an die Pforten der Hölle zu folgen.

3.
     
    M
aite starrte fassungslos auf die Reiter, die mit hochmütigen Mienen in ihr Dorf einritten, als sei es ihr gutes Recht, und wünschte, ihr Vater wäre da, um den Kerlen die Zähne zu zeigen. Bei den ungebetenen Besuchern handelte es sich um zwei Dutzend Krieger, von denen jeder eine eiserne Rüstung trug und Schwert und Helm besaß. Die meisten hielten lange Speere in der Rechten und lenkten ihre Rosse mit der anderen Hand. Die Schilde hatten sie auf den Rücken geworfen, als hätten sie hier nicht das Geringste zu befürchten. Dabei handelte es sich um asturische Krieger, und das waren die schlimmsten Feinde, die Maite sich vorstellen konnte.
    Ihr Anführer war ein echter Visigote, ein selbst im Sattel noch hochgewachsen wirkender Mann in einem Kettenhemd nach maurischer Art, mit schulterlangen blonden Haaren undblauen Augen, die so kühl blickten wie Eis. Mit verächtlicher Miene musterte er das Dorf mit den aus Bruchsteinen und Holz errichteten Häusern, deren Dächer mit Steinen beschwert waren. In seinen Augen war Askaiz ein Bergnest, in dem der reichste Bewohner kaum mehr besaß als der ärmste und die Ehefrau des Häuptlings ihre Wäsche ebenso selbst waschen musste wie die geringste Magd.
    Graf Roderich war jedoch nicht gekommen, um sich das Dorf anzusehen. Auf seinen Wink hin führte einer seiner Begleiter ein Saumpferd heran, schnitt die Stricke durch, mit denen ein längliches, in Tuch eingeschlagenes Bündel am Tragsattel befestigt war, und ließ dieses zu Boden fallen. Dann packte er das Tuch mit beiden Händen und riss daran. Zum Vorschein kam ein blutverschmierter Leichnam.
    Als die Dorfbewohner den Toten erkannten, brüllten und heulten sie so, dass es von den nahen Bergflanken widerhallte. Da die Erwachsenen Maite die Sicht verdeckten, sah sie zu Estinne, der Frau ihres Onkels, auf. »Was ist da los?«
    »Nichts, Kind!«, rief diese mit gepresster Stimme und versuchte sie wegzuzerren.
    Maite riss sich los und zwängte sich durch die Menge. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie begriff, dass der blutverschmierte Tote ihr Vater war. Zuerst stand sie wie versteinert. Dann brach ein schier unmenschlicher Ton aus ihrer Kehle, so schrill und laut, dass die Pferde der Eindringlinge unruhig wurden.
    Sie ballte die Fäuste und wollte auf die Asturier losgehen, doch eine Frau hielt sie fest. »Sei still, Kleines! Sonst tun dir die bösen Männer noch etwas an.«
    Graf Roderich ließ den Dörflern, die ihren erschlagenen Häuptling fassungslos anstarrten, etwas Zeit zu begreifen, dass sich der Wind gedreht hatte. Dann begann er, mit weittragender Stimme zu sprechen: »Euer Anführer Iker und seineSpießgesellen haben sich zu nahe bei meinen Schafherden herumgetrieben. Dabei haben meine Hirten sie erwischt und bestraft. Ich bringe euch seine Überreste, damit ihr wisst, was euch blüht, wenn sich noch mal einer von euch bei meinen Herden blicken lässt.«
    Maite wollte dem Mann entgegenbrüllen, dass ihr Vater ein großer Krieger gewesen war, der es mit einem Dutzend asturischer Schafhirten aufgenommen hätte. Die Frau, die sie festhielt, presste ihr jedoch die Hand auf den Mund, so dass sie kaum Luft bekam. Maite strampelte wütend, um freizukommen. Da trat Estinne hinzu und half, das tobende Mädchen zu bändigen.
    Da sie nichts anderes tun konnte,
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