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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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wegen des Besitzes von Marihuana, und weil er im Verdacht stand, am 31. August 1948 ein minderjähriges Mädchen belästigt zu haben. Ich sehe die Fotos noch vor mir: Mitchum im Unterhemd, wie er die Bullen anfaucht, und im Hintergrund das rollende Meer und die wehenden Palmen.
    Yessir, das war mein Junge. Angesichts von Mitchum und Burroughs und James Dean und Jack Kerouac musste ich ordentlich Anlauf nehmen, noch ehe ich zwanzig war, und es gab keinen Weg zurück. Buy the ticket, take the ride.
    Willkommen also auf der Straße des Donners , Bubba. Dies war einer jener Filme, die mich packten, als ich zu jung war, um widerstehen zu können. Der Film überzeugte mich, dass es nur den einen Weg gab – in einem Wagen voller Whiskey mit Höchstgeschwindigkeit zu fahren, und Tatsache ist, dass ich seither immer genau so gefahren bin.
    Das Mädchen, das mit Mitchum auf den Fotos zu sehen war, mochte fünfzehn Jahre alt sein, und auch sie hatte nur ein Unterhemd an, unter dem elegante kleine Nippel hervorstanden. Die Bullen versuchten, nachdem sie durch die Tür gestürmt waren, ihre Brüste mit einem Regenmantel zu verdecken. Mitchum musste sich auch wegen Unzucht verantworten und wegen der Verführung Minderjähriger.
    Ich hatte in diesen Jahren meinen eigenen Ärger mit der Polizei. In der fünften Klasse wurde ich ganz offiziell vom FBI festgenommen, weil ich den Inhalt eines öffentlichen Briefkastens vor einem Bus ausgeleert hatte. Bald darauf war ich häufiger Gast in diversen Gefängnissen im Süden, wegen Trunkenheit, Diebstahl und Gewalttätigkeiten. Die Leute nannten mich einen Kriminellen, und meistens hatten sie auch recht. Ich war ein jugendlicher Krimineller reinsten Wassers, und ich hatte eine Menge Freunde.
    Wir klauten Autos und tranken Gin und legten nachts oft schnelle Touren hin, an Orte wie Nashville und Atlanta und Chicago. Wir brauchten in solchen Nächten unbedingt Musik, und die kam normalerweise aus dem Radio – von 50000-Watt-Sendern wie WWL aus New Orleans und WLAC aus Nashville.
    So kam es, dass ich auf die schiefe Bahn geriet, würde ich sagen – indem ich WLAC hörte und die ganze Nacht mit einem gestohlenen Wagen durch Tennessee fuhr, den in den nächsten drei Tagen niemand vermissen würde. So lernte ich Howlin’ Wolf kennen. Wir mochten ihn und wussten, wovon er redete. »I Smell a Rat« ist ein pures Rock-’n’-Roll-Monument, das für den Grundsatz steht: »Es gibt keine Paranoia.« Der Wolf konnte ganz schön die Sau rauslassen, aber er hatte auch eine melancholische Seite. Er konnte einem das Herz zerreißen wie die schlimmste Sorte Honky-Tonk. Wenn die Geschichte, wie es heißt, einen Mann nach seinen Helden beurteilt, dann wird geschrieben stehen, dass Howlin’ Wolf einer von meinen ist. Er war ein Monster.
    Musik hat für mich immer etwas mit Energie zu tun, mit der Frage nach dem Brennstoff. Sentimentale Menschen nennen es Inspiration, aber was sie eigentlich meinen, ist Brennstoff.
    Ich habe immer Brennstoff benötigt. Ich konsumiere beträchtliche Mengen. Ich bin immer noch der Meinung, dass in manchen Nächten ein Auto mit leerem Tank noch gute fünfzig Meilen mehr fährt, wenn das Radio bei voller Lautstärke die richtige Musik spielt. Ein V-8-Cadillac fährt zehn oder fünfzehn Meilen schneller, wenn man ihm eine komplette Dosis von »Carmelita« gibt. Das hat sich in der Praxis immer wieder bestätigt. Es ist der Grund, warum so viele Cadillacs gegen Mitternacht gegenüber den Lastwagenraststätten auf dem Highway 66 parken. Es sind Speed-Luden, und sie tanken nicht nur Benzin. Wenn man einen solchen Platz eine Weile beobachtet, erkennt man ein Muster: Ein großer schneller Wagen hält vor der Tür, und ein wild aussehendes Mädchen steigt aus, abgesehen von einem Pelzmantel oder einer Skijacke splitterfasernackt, und mit einer Handvoll Geld läuft sie in den Laden, ganz wild darauf, sich irgendeine garantiert hochtourige Musik für die Fahrt zu besorgen.
    Das passiert immer wieder, und früher oder später kommt man nicht mehr davon los, man wird süchtig danach. Jedes Mal wenn ich »White Rabbit« höre, versetzt mich das zurück in die öligen mitternächtlichen Straßen von San Francisco, auf der Suche nach Musik, unterwegs auf einem roten Motorrad den Berg hinab zum Presidio, verzweifelt in den Kurven liegend durch die Eukalyptusbäume, um rechtzeitig im Matrix einzutreffen und zu hören, wie Grace Slick Flöte spielt.
    In diesen Nächten existierten keine Musik
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