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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Autoren: Hunter S. Thompson
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der Anbetung, eine sehr hohe Kunst. Und an manchen Tagen bin ich richtig gut darin.
    Heute, das spürte ich, musste einer dieser Tage sein. Auf jeden Fall. Du musst es gleich tun. Dann klingelte das Telefon, und ich riss den Hörer von der Gabel, es war aber keiner dran. Ich lehnte mich gegen den Kamin und stöhnte, und es klingelte wieder. Ich nahm ab, doch wieder keine Stimme. Oh, nein!, dachte ich. Jemand hat’s auf mich abgesehen … Ich musste Musik hören, ich brauchte Rhythmus. Ich war fest entschlossen, ruhig zu bleiben, also warf ich die Lautsprecher an und legte »Spirit in the Sky« von Norman Greenbaum auf.
    Ich spielte es in den folgenden drei oder vier Stunden wieder und immer wieder und hämmerte meinen Brief in die Tastatur. Mein Herz raste, und die Musik ließ die Pfauen kreischen. Es war Sonntag, und ich betete auf meine eigene Weise. Am Tag des Herrn sollst du nicht verrückt spielen .
    Meine Großmutter spielte niemals verrückt, wenn wir sonntags zu ihr zu Besuch kamen. Sie hielt immer Kekse und Tee bereit, und auf ihrem Gesicht lag stets ein Lächeln. Sie lebte unten am westlichen Ende von Louisville, nahe der Schleuse des Ohio. Ich erinnere mich an einen schmalen betonierten Zufahrtsweg und einen großen grauen Wagen in der Garage hinter dem Haus. Der Weg bestand aus zwei Betonstreifen mit Grasbüscheln dazwischen. Er führte an bösartig wuchernden Rosenbüschen vorbei, zu etwas, das wie ein verlassener Schuppen aussah. Und so war es auch. Er war verlassen. Niemand hielt sich dort auf, und niemand fuhr mit dem großen grauen Wagen. Er wurde niemals bewegt. Im Gras waren keine Spuren.
    Die Limousine war ein LaSalle, wie ich mich erinnere, ein glattpoliertes Monster mit einem mächtigen Acht-Zylinder-Motor und einer Knüppelschaltung, vermutlich ein Modell von 1939. Wir bekamen ihn nicht zum Laufen, da die Batterie am Ende und Benzin knapp war. Es war ein regelrechter Krieg. Man brauchte spezielle Gutscheine, um fünf Gallonen Benzin zu kaufen, und diese Gutscheine waren ebenso streng rationiert wie heiß begehrt. Die Leute horteten sie, doch niemand beschwerte sich, da wir ja gegen die Nazis kämpften und unsere Panzer all das Benzin für den Einsatz an den Stränden der Normandie benötigten.
    Wenn ich mir das von heute aus betrachte, wird mir klar, dass der wahre Grund für unsere Besuche bei meiner Großmutter im Westend am Tage des Herrn der war, ihr die Benzingutscheine für den LaSalle abzuluchsen. Sie war eine alte Dame und brauchte kein Benzin. Ihr Wagen war immer noch angemeldet, und jeden Monat bekam sie ihre Gutscheine. Deshalb fuhren wir sonntags zu ihrem Haus.
    Was soll’s – ich würde es auch genauso machen, wenn meine Mutter Benzin hätte, ich aber nicht. Wir alle würden es so machen. Es ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage – und das hier ist im Übrigen das letzte chaotische Jahr des amerikanischen Jahrhunderts, und die Leute werden unruhig. Hamsterer kommen aus der Kammer und murmeln düsteres Zeug über Y2K und kaufen Büchsen mit Rindereintopf von Dinty Moore. Beliebt sind getrocknete Feigen, ebenso Reis und Schinkenkonserven. Ich persönlich horte Gewehrkugeln, viele Tausende. Kugeln werden immer einen Wert haben, vor allem, wenn das Licht ausfällt und das Telefon tot ist und den Nachbarn langsam die Nahrung ausgeht. Dann ist der Punkt gekommen, um herauszufinden, wer deine Freunde sind. Selbst enge Familienmitglieder werden sich an dich wenden. Nach dem Jahr 2000 werden die einzigen Freunde, denen man noch vertrauen kann, die Toten sein.
    Ich habe William Burroughs immer dafür respektiert, dass er zu meiner Zeit der erste Weiße war, der wegen Marihuana verhaftet wurde. William war der Mann der Stunde. Er wurde das Opfer einer illegalen Polizeirazzia bei ihm zu Hause in Old Algiers, in der Wagner Street Nr. 500, einem billigen Vorort von New Orleans, wo er hingezogen war, um für eine Weile ein wenig zu schießen und Marihuana zu rauchen.
    William hat einem nichts vorgemacht. Er nahm die Dinge ernst. Als der New Deal den Bach runterging, war William zur Stelle, mit einer Pistole in der Hand. Whacko! Boom! Tritt zurück. Ich bin das Gesetz. Er war mein Held, schon lange, bevor ich überhaupt von ihm gehört habe.
    Er war aber nicht ganz der erste Weiße in meiner Zeit, der wegen Marihuana verhaftet worden war. Das war Robert Mitchum, der Schauspieler, der drei Monate zuvor in Malibu an der Vordertür eines versteckt liegenden Strandhauses verhaftet worden war;
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