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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten
Autoren: Gillian Bradshaw
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römische Bürgerrecht verliehen – als Auszeichnung.«
    »Oh.« Er setzte sich neben mich und starrte in den Brunnen hinunter. Mir fiel erst jetzt auf, daß seine Augen rot und geschwollen waren.
    »Was ist los, Eukairios?« fragte ich.
    Er sah zögernd auf und rieb sich die Augen. »Ich … habe die Brüder in der Stadt besucht, und sie hatten einen Brief für mich von der Gemeinde in Bononia, der ich früher angehört habe. Drei meiner dortigen Freunde sind verhaftet und nach Augusta Treverorum gebracht worden, wo sie in der Arena sterben werden.«
    »Das tut mir sehr leid«, sagte ich nach einiger Zeit.
    Er schüttelte den Kopf. »Wir sagen, es ist ein glorreicher Tod, als Blutzeuge Christi in der Arena zu sterben. Wir sagen, es ist der sichere Weg zum Himmlischen Paradies, und Gott wird den Leidenden die Tränen von den Augen wischen.«
    »Trotzdem hast du aber geweint.«
    »Sie waren immer so gut!« rief er heftig aus. »Besonders Lucilla. Nie ist eine streunende Katze hungrig von ihrer Tür gejagt worden, und wenn sie ein Kind auf der Straße weinen sah, hat sie es getröstet. Sie pflegte mir zur Stärkung Met zu schicken, wenn meine Rationen gekürzt oder einbehalten wurden, und Holzkohle, um im Winter meine Zelle zu wärmen. Und jetzt wird man sie den wilden Tieren vorwerfen. Der Gedanke, wie sie, an einen Pfahl gefesselt, von den Bestien zerfleischt wird, während der Mob johlt … o Gott!« Er holte tief Atem und drängte die Tränen zurück. »Die Leute, die das getan haben, werden in der Hölle brennen!« rief er leidenschaftlich aus.
    »Es tut mir leid, Eukairios«, sagte ich noch einmal.
    »Niemand kann irgend etwas dagegen tun.« Er gewann die Selbstbeherrschung zurück. »Ich bin zuversichtlich, daß Christus ihnen Kraft schenken und sie in sein Reich heimholen wird.«
    Wir schwiegen lange. Ich dachte an die arme Lucilla; an die Druiden, die in dieser Stadt hier eingekerkert waren und die Todesstrafe zu erwarten hatten, auch wenn sie kein Verbrechen begangen hatten. Ich dachte an Tirgataos schrecklichen Tod.
    »Sie haben Euch also das römische Bürgerecht verliehen«, sagte Eukairios schließlich.
    Ich nickte. »Was meinst du, Eukairios, sollte ich es ablehnen?«
    »Nein«, sagte er verblüfft. »Natürlich nicht!«
    »Ich will es nicht haben. Die Götter wissen, daß ich Rom nicht liebe.«
    »Aber Ihr habt so viele Gefahren auf Euch genommen, um die Herrschaft Roms zu verteidigen!«
    »Ich hatte nur die Wahl, das zu tun oder mich Roms Feinden anzuschließen, die mir viel schlimmer zu sein schienen. Die Wahl, die mein Herz treffen würde, wurde mir nicht geboten. Sie wird einem nie geboten.«
    »Welche Wahl wäre das?«
    Ich dachte lange nach. Römer wollte ich nicht sein, aber mir war klar, daß ich auch kein echter Sarmate mehr war – und eine genaue Vorstellung davon, wie die Briten – waren, hatte ich noch nicht. Welche Welt würde ich wählen, wenn ich meine Freiheit hätte? »Eine Welt ohne Haß«, sagte ich.
    Eukairios wandte den Blick ab und sah in den Brunnen. Er streckte die Arme aus und ließ das stille Wasser über seine Hand laufen. »Ihr habt recht«, sagte er, ohne mich anzusehen. »Eine solche Wahl wird uns nie geboten.«
    Pervica kam in den Garten und eilte zu uns herüber. Ich stand auf – allmählich gewöhnte ich mich daran, auf einem Bein zu balancieren –, und sie nahm meinen linken Arm. »Facilis«, erklärte ich ihr, »sagt, er kann es arrangieren, daß wir bis heute abend schon verheiratet sind. Eukairios wird den Vertrag aufsetzen, und Marcus wird ihn am Nachmittag im Archiv registrieren lassen.«
    »Ich habe Publius Verinus aufgesucht, den Festungspräfekten von Eburacum«, berichtete sie. »Und er hat gesagt, wir können ein Gästezimmer im Haus des Kommandanten haben, obwohl alles so überfüllt ist. Er war sehr freundlich und entgegenkommend, als ich ihm sagte, daß wir versuchen wollten, heute noch zu heiraten, und er wünscht uns viel Glück.«
    Ihr Gesicht glühte vor Erregung, und sie sah strahlend zu mir auf. Mein Herz hatte seine Wahl getroffen. Es hatte sich für eine Welt entschieden, die niemand mir geben konnte: die Welt jenseits des Jadetores, die nur der Sehnsucht erreichbar war.

 

    Historischer Epilog
    Die heute fast vergessenen Sarmaten waren wie die mit ihnen verwandten Skythen ein Nomadenvolk mit einer iranischen Sprache. Ihre verschiedenen Stämme – Jazygen und Roxolanen, Alanen, Aorsen und Siraker – haben sich zeitweise über ein
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