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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten
Autoren: Gillian Bradshaw
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sehen, und wir haben nicht gerade Grund, uns auf die guten Absichten der Römer zu verlassen. Wir wissen, daß der Kaiser den Wunsch hatte, unser Volk auszurotten. Wir haben nie zuvor das Meer gesehen, und wir sind in unseren Booten nie weiter gefahren als über den Danuvius. Unsere Religion sagt uns, daß Menschen, die durch das Wasser umkommen, im jenseitigen Leben ein schreckliches Schicksal erwartet. Einige von uns sagen jetzt, wir seien betrogen worden und wir würden besser daran tun, auf dem Land zu sterben. Manche von uns sind verzweifelt.«
    »Fürst Ariantes!« rief der Prokurator erstaunt und besorgt. »Laßt mich Euch versichern: Wir haben nicht die geringste Absicht, Euren Truppen Schaden zuzufügen. Ich bin der Kommandant dieses Flottenstützpunkts, und ich trage die Verantwortung dafür, daß Eure Truppen sicher nach Britannien übergesetzt werden. Ich würde beim Kaiser in Ungnade fallen, wenn es zu blutigen Unruhen käme. Das wäre das letzte, was ich wünschen könnte. Und Marcus Flavius hier wurde dazu bestimmt, Euch sicher bis ans Ende Eures Marsches zu bringen, und auch er würde zur Rechenschaft gezogen werden, wenn Euren Männern etwas zustieße.«
    »Edler Prokurator«, erwiderte ich, »es tut mir leid, aber Ihr könnt keinerlei Zusicherungen geben, denen meine Leute trauen würden. Doch auch ich wünsche kein Blutvergießen. Wenn Ihr in Ungnade fielet, würden wir sterben, und unser Tod wäre sinnlos, wenn Ihr in guter Absicht handelt und diese Insel Britannien tatsächlich jenseits des Horizonts liegt, wo wir sie nur nicht sehen können. Nun, ich habe den anderen Kommandeuren vorgeschlagen, daß ich zunächst allein den Ozean überquere, wenn Ihr es erlaubt, und dann zurückkehre, um ihnen über die Insel zu berichten, falls sie existiert. Sie würden mir glauben, wo sie Euch nicht glauben könnten, und wenn ich ihnen beweisen kann, daß sie nicht betrogen worden sind, erklären sie sich bereit, sich nach Eurem Willen einschiffen zu lassen.«
    »Arshak und Gatalas haben dem zugestimmt?« fragte Facilis ungläubig.
    »Sie haben zugestimmt«, sagte ich. »Warum sollten sie den Wunsch haben, in Bononia zu sterben?«
    Der Prokurator strahlte. »Ist das alles, was nötig ist?« fragte er. »Natürlich, Fürst Ariantes, natürlich akzeptiere ich Euren Vorschlag. Ich kann Euch gleich morgen früh auf einer schnellen Galeere hinüberschicken.« Er blickte Facilis triumphierend an. »Ich hätte diesen Mann festnehmen sollen, wie? Alle Sarmaten sind unvernünftig, wie?«
    Facilis sah verblüfft aus. »Was für ein Spiel treibt Ihr, Ariantes?« fragte er.
    »Ich treibe kein Spiel, Flavius Facilis.«
    »Raus damit! Ich weiß, Ihr haßt alle Römer. Was für eine Art von Spiel ist das?«
    »Ich bin ein Diener des römischen Staates«, erklärte ich ihm. »Ich habe diese Knechtschaft akzeptiert, um meinem Volk die Freiheit zu erkaufen, und ich könnte wohl kaum lange weiterleben, wenn ich alle Römer haßte. Warum sollte ich mein Herz von Haß zerfressen lassen? Mit etwas Glück könnt Ihr in ein paar Tagen nach Pannonien zurückkehren, und ich kann meinen Dienst in Britannien antreten. Ich denke nicht daran, nachts wach zu liegen und mich darüber zu grämen, daß Ihr am Leben seid. Ich beabsichtige vielmehr, Euch vollkommen aus meinem Gedächtnis zu streichen.«
    Während des ganzen Marsches von Aquincum bis hierher war sein Gesicht dunkelrot angelaufen, wenn er wütend war. Er hatte geschrien und geflucht und Beleidigungen gebrüllt. Er hatte mit Hohn und Verachtung über Arshaks Haß gegen ihn gesprochen. Ich hätte nie erwartet, daß ihn meine Erklärung, ihn vergessen zu wollen, irgendwie berühren könnte. Aber er wurde blaß, oder eher gelblichgrau, nur ungleichmäßige dunkelrote Flecken zeichneten sich auf seinen Wangen ab. Er starrte mich an, ohne ein Wort zu sagen. Seine Pupillen verengten sich, bis er fast blind aussah. Ich hatte diesen Blick schon früher gesehen, in den Augen von Menschen, die ein übermächtiger Schmerz wahnsinnig gemacht hatte oder die in der Schlacht einem Blutrausch verfallen waren. Facilis’ Wutanfälle waren nichts gewesen – dies war ernst. Ich sprang zurück.
    »Ihr habt meinen Sohn getötet«, sagte Facilis mit vor Wut erstickter Stimme. »Ihr habt meinen einzigen Sohn getötet, und Ihr wollt mich aus Eurem Gedächtnis streichen?« Er hatte sein Schwert herausgezogen. Ich wagte nicht, mich zu bewegen.
    »Zenturio!« rief der Prokurator. »Zenturio! Steckt das
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