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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten
Autoren: Gillian Bradshaw
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ein Fremder, ein Barbar – aber ebenso offensichtlich war ich ein wohlhabender Mann. Mochten meine Kleider auch schmutzig sein, Hemd und Mantel waren aus feinstem Stoff und leuchtend rot gefärbt, mit Perlenstickerei verziert und mit einer goldenen Fibel befestigt, und mein Dolch hatte einen edelsteinbesetzten Griff. Ich war ein Mann, der ihnen Rätsel aufgab. Kein Wunder, daß sie starrten.
    Ich blieb stehen, um mir einige Schafe anzusehen, die zwischen drei Hürden eingepfercht waren. Ihre Rasse war mir unbekannt, sie waren leichter gebaut als die Schafe, die wir hielten. Die meisten hatten eine graubraune Färbung, aber einige, die langschwänzig und stämmiger waren, hatten ein weißes Vlies. Bei einem Pferdehändler hielt ich mich länger auf. Seine Pferde waren klein und struppig, mit großem Kopf und dünnem Hals. Sie schienen mir nicht viel zu taugen, doch fiel mir auf, daß sie alle Hufeisen hatten. Bei uns ist es nicht üblich, die Pferde zu beschlagen – in einem Land ohne Straßen ist das nicht nötig –, und bei den römischen Hilfstruppen, die ich kannte, war das ebenso. Ich hatte schon Hufeisen gesehen, aber noch nie Gelegenheit gehabt, sie genauer zu untersuchen. Ich ging zu einem der Pferde hinüber, klopfte ihm beruhigend den Hals und kniete mich hin, um seine Hufe zu inspizieren. Der Händler kam herüber und fragte mich etwas in einer mir unbekannten Sprache. »Ich verstehe Euch leider nicht«, sagte ich. »Sprecht Ihr Latein?«
    »Natürlich, Mann …«, antwortete er, berichtigte sich aber gleich: »Ja, ich spreche Latein, Herr. Habt Ihr Interesse an dem Tier? Es ist ein ausdauernder Arbeiter, zieht ebensogut den Pflug wie den Wagen, erst vier Jahre alt. Ihr könnt es für nur dreißig Denare haben.«
    »Wie weit kann es an einem Tag gehen?« fragte ich – die erste Frage, die ein Sarmate stellt, wenn er ein Pferd kauft.
    Der Pferdehändler sah mich erstaunt an. »Wirklich, Herr, das weiß ich nicht.«
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen, ich mußte den Blick abwenden, damit er es nicht bemerkte. Ich tat so, als prüfte ich noch einmal den Huf. So intensiv hatte ich die Einsamkeit, das Verlorensein in einem fremden Land noch nie empfunden. »Wie weit kann es an einem Tag gehen?« – die Frage kam aus einer anderen Welt, einer Welt, in der die Menschen in Wagen lebten und von Weidegrund zu Weidegrund zogen, einer Welt, von der ich für immer abgeschnitten war. Hier lautete die Frage: »Kann es den Pflug gut ziehen?« Und ich würde die Eigenschaften, die diese Frage beantworteten, nicht einmal verstehen.
    Ich setzte den Fuß des Pferdes ab, stand auf und gab ihm einen Klaps. »Danke«, sagte ich zu dem Pferdehändler und ging weiter.
    Am öffentlichen Brunnen auf der anderen Seite des Marktplatzes trank ich einen Schluck Wasser. Eine dicke Frau, die Äpfel verkaufte, hatte mir einen Becher gegeben. Als ich ihn dankend zurückbrachte, sah ich mir die Äpfel an, die sie in einem Holzfaß hatte. Sie waren klein und rot. »Wieviel kosten sie?« fragte ich.
    »Ich würde einen Korb voll für ein paar Eier verkaufen, Herr«, antwortete die Frau. »Aber ich gebe Euch gern einen Apfel umsonst; ich sehe ja, daß Ihr aus einem fremden Land kommt.« Sie reichte mir einen Apfel. »Seid Ihr über das Meer gekommen, Herr?«
    Sie sah mich mit lebhafter Neugier an. Ich biß in den Apfel, er war süß. »Das stimmt«, sagte ich, als ich den Bissen heruntergeschluckt hatte, »und ich habe Gefährten drüben. Könnte ich Eure Äpfel kaufen, Frau? Ich würde gern das Faß voll Äpfel nehmen.«
    »Wie, das ganze Faß, meint Ihr?«
    »Wenn es Euch recht ist.«
    »Tatsächlich, Herr? Das ganze Faß? Dann braucht Ihr wohl außer den Äpfeln auch das Faß. Das würde machen … Laßt mich rechnen … Die Äpfel würde ich Euch für vier Asse lassen, dazu kämen fünf Asse für das Faß.«
    Ich hatte eine Anzahl Münzen im Geldbeutel, und ich nahm neun Kupferstücke heraus. Die Frau warf einen Blick darauf und schüttelte den Kopf. »Das sind Sesterze, Herr«, sagte sie.
    »Hm, und wie viele von denen machen einen As aus?« fragte ich.
    Sie sah mich erstaunt an, dann kicherte sie. »Aber Herr!« rief sie. »Auf einen Sesterz gehen zweieinhalb Asse. Aus welchem fernen Land kommt Ihr, daß Euch römisches Geld unbekannt ist?«
    Ich schwieg. Das Geld stammte von Stoßtruppunternehmen, und ich hatte es aufbewahrt für den Fall, daß ich einmal Gelegenheit haben könnte, etwas von Römern zu erwerben. Mein
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