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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin
Autoren: Martina Kempff
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verloren hatte.
    Eine Woche wohnte sie bereits mit Marcus unter einem Dach. Außer höflichen Erkundigungen hatte er noch kein persönliches Wort an sie gerichtet. Seine Mutter hat sich geirrt, dachte Mando verzweifelt, ich kann ihm nicht helfen. Er muss Anna sehr geliebt haben. Sie staunte selber darüber, dass sie dieser Gedanke mehr beruhigte als störte. Leise klopfte sie an die Tür seines Arbeitszimmers.
    »Marcus?«, fragte sie, nachdem sie die Klinke heruntergedrückt hatte. »Ich fahre morgen nach Mykonos zurück.«
    Er drehte sich von seinem Schreibtisch um und sie erschrak über die tief in den Höhlen liegenden schwarz umränderten Augen.
    »Ich habe Anna Unrecht getan«, sagte er. »Ich habe sie umgebracht. Der Arzt hat es verboten, aber trotzdem habe ich sie angerührt.«
    »Unsinn!«, erklärte Mando. »Ihr wart Mann und Frau! Da kann man nicht immer aufpassen!«
    »Doch«, sagte er mit seltsam kalter Stimme. »Das muss man. Immer aufpassen. Ich hätte nicht bei ihr liegen dürfen.«
    Wenn er nur weinen würde, dachte Mando, oder schreien oder seinen Kummer auf sonst irgend eine Weise aus sich heraus brächte!
    Aber er blieb stumm mit hängenden Schultern an seinem Schreibtisch sitzen.
    Sie ging zu ihm hin, wollte ihn einfach in die Arme nehmen und trösten. Plötzlich fuhr sein Kopf hoch. Sie erschrak vor dem Ausdruck in seinen Augen und trat einen Schritt zurück. Rühr mich nicht an!, sprach sein Blick, aber da war noch etwas.
    »Dafür hätte ich zu dir kommen sollen!«, brach es aus ihm heraus und jetzt glaubte sie offenen Hass in seinen Augen zu lesen.
    Entsetzt schlug sich Mando eine Hand vor den Mund und rannte aus dem Zimmer.
    Sie sah nicht mehr, wie er ihr entgeistert nachblickte. »Bleib, Mando!«, flüsterte er heiser, aber da war sie schon dabei, ihre Sachen zu packen.
    Dafür hätte ich zu dir kommen sollen! Immer wieder echoten diese Worte in ihrem Kopf. An nichts anderes konnte sie denken, als dass sie sich zwanzig Jahre lang geirrt und ihm ihre Liebe nur das bedeutet hatte.
    Sie rannte zum Hafen, aber die Fischer lachten sie aus, als sie nach einem Boot fragte und deuteten auf die aufgewühlte See.
    »Dieser Sturm wird Tage anhalten«, schrie einer gegen den Wind an. »Sie müssen auf Paros bleiben!«
    Ganz flüchtig ging ihr durch den Kopf, dass sie nach einem anderen Tod vor vielen Jahren auch kein Boot gefunden hatte und mit einem schönen jungen Reederssohn aus Hydra durch den Sturm nach Tinos gefahren war.
    Bei Marcus konnte sie nicht bleiben. Mando klopfte bei einem anderen Spross der weit verzweigten Mavrojenous-Familie an und fragte den Cousin, der ihr öffnete, nach dem Haus, das Stefano ihr vererbt hatte.
    »Das ist in Naoussa«, erklärte er. Nachdem er ihr den Weg beschrieben und ein Pferd zur Verfügung gestellt hatte, machte sich Mando auf den Weg zu dem Gehöft, wo ihr Bruder sich vor den Häschern aus Jannina versteckt gehalten hatte.
    Ihr Gepäck ließ sie bei dem Cousin und so konnte sie dem Pferd die Sporen geben. So schnell wie möglich wollte sie reiten, viele Kilometer zwischen sich und Marcus bringen, an nichts denken. Sonst würde sie genauso verrückt werden wie ihr armer Bruder.
    Sie rechnete damit, das Haus ähnlich verwahrlost vorzufinden wie einst die Hütte in Kalo Livadi. Es lag auf einem Hügel vor dem Dorf und musste von den Elementen arg gebeutelt worden sein. Aber es gab eine angenehme Überraschung. Ein Bauer, der sah, dass sie ihr Pferd vor dem Haus festband, eilte hinzu. Er stellte sich als Nachbar Manolis vor und erklärte, er hätte die Genehmigung Stefano Mavrojenous' Felder zu bestellen. Dafür müsste er normalerweise dem Besitzer einen Teil der Ernte abtreten. Da dieser aber nicht anwesend wäre, habe seine Frau das Haus regelmäßig gesäubert und gelüftet sowie das Gemüsegärtchen versorgt. Stefanos Schafe habe er seiner Herde hinzugefügt und er könne ihr die erfreuliche Mitteilung machen, dass sie sich ordentlich vermehrt hätten. Auch die Kuh hätte inzwischen gekalbt.
    Mando war unendlich dankbar. Sie berichtete dem Nachbarn, dass ihr Bruder gestorben und sie die Erbin des Grundstücks sei. Sie würde eine Weile hier wohnen.
    »Doch nicht etwa ganz allein?«, fragte Manolis entsetzt.
    »Ich bin nicht verheiratet«, erwiderte Mando.
    Keine Diener, keine Magd, keine Köchin, kein Kutscher? Manolis verstand die Welt nicht mehr. Andererseits war auch schon der Bruder der Dame recht seltsam gewesen und hatte ebenfalls darauf bestanden,
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