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Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)

Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)

Titel: Die Rebellin von Leiland 1: Maske (German Edition)
Autoren: Magali Ségura
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gelenkt: Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Was wird das Motiv meines Nachfolgers sein, wenn sein Land erst den Schrecken vergessen hat, in den es stürzen könnte?
     
    Das Kind schlug das Buch wieder zu. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
    Der kleine Junge konnte Enkils Fragen nicht beantworten. Zu viele Dinge verstand er noch nicht. Das Gute, das Böse? Er wusste nur um die Existenz der Feen. Ein Schlachtfeld, ein Stützpunkt an einem zentraler gelegenen Ort … Dem Jungen war voll und ganz bewusst, dass er in einem Königreich lebte, das im Herzen der Welt des Ostens lag. Vierhundert Jahre … Vielleicht war das bald. Kündigten sich in all den Konflikten in seinem Land dieser Zeitpunkt und das Ende des Wartens auf die Gottheiten an?
    Das Kind drückte das Buch an die Brust und erinnerte sich an das besorgte Gesicht seiner Mutter.

Ein Bote
     
    Es herrschte eine klirrende Kälte, die das Fleisch bis auf die Knochen durchdrang. Andin war derart eingemummt, dass nur ein paar blonde Haarsträhnen über den hohen Kragen seines Umhangs hingen.
    Es herrschte eine tiefe Dunkelheit, die nur den Schimmer eines Mondstrahls durchdringen ließ. Der junge Mann konnte während seines Abstiegs vom Gebirge kaum die Flanken der Felsen erkennen.
    Was tat er in den Versteinerten Bergen? Nis, seine schöne Fuchsstute, hatte lange geschnaubt, um ihm zu zeigen, dass ihr der von ihm gewählte Weg nicht behagte. Die Sturheit ihres Herrn, der unbedingt diese Abkürzung hatte nehmen wollen, war Wahnsinn – auch wenn er das nicht einsah. Sein Vater hätte von jugendlicher Starrköpfigkeit gesprochen. Die Botschaft, die Andin überbringen musste, war doch nicht so dringend! Seine Lust darauf, Leiland zu durchstreifen, konnte ihn teuer zu stehen kommen.
    Der junge Mann hatte in den letzten fünf Tagen selten Halt gemacht. Der schmale Pfad, den er genommen hatte, war mehr als einmal von heftigen Schneeböen verweht oder gar zugedeckt worden. Er hatte sich vor Steilhängen und fürchterlichen Abgründen in Acht nehmen müssen. Ihm fehlte Schlaf, und die Augen taten ihm weh; das Gletscherleuchten brannte noch immer in seinen Augen, deren Iris in einem unwirklichen Hellgrün schimmerte. An die Gefahren, die ihm womöglich noch bevorstanden, dachte er nicht mehr. Stattdessen sprach er sich selber Mut zu, indem er dem Klang der Hufeisen auf den Steinen lauschte. Das Stolpern seiner Stute zeigte das Ende der Schneestürme und die Rückkehr in die Ebenen an.
    Dennoch dauerte der tastende Abstieg Stunden. Andin glaubte schon fast, dass er nie zu Ende gehen würde. Von all seinen Reisen erwies sich diese hier bei weitem als die mühsamste. Seit er in die Dunkelheit aufgebrochen war, wartete er auf die Morgendämmerung. Aber als der heulende Wind sich endlich beruhigte, schimmerte am Horizont nur ein Nebelstreif.
    Der Dunst hob sich langsam, so gestaltlos wie der weiße Atem, der aus Nis’ milchweißen Nüstern drang. Er zeichnete die Krümmung der Steine nach, mit denen der Boden übersät war, und zog jegliches Licht an sich. Während er sich weiter ausbreitete, verbarg er die Umgebung mit seinem warmen, feuchten Schleier.
    »Na, am Ende siehst du nicht einmal mehr deine Nasenspitze, Nis!«
    Die Stute legte die Ohren an. Andin schmunzelte trotz seiner rissigen Lippen über ihre schlechte Laune und glitt mühsam vom Pferd. Er streckte sich und war erleichtert, dass er sich noch bewegen konnte. Die Tasche, die er an einem Schulterriemen auf dem Rücken trug, rutschte ab. Sie schien immer schwerer zu werden, obwohl sie beinahe leer war. Andin bewegte die Schultern und zog den Riemen wieder fest, damit er ihn nicht länger behinderte.
    Er wollte weiter durch den Kies stapfen, eine Hand an der Felswand. Aber schon nach einigen Schritten spürte er, dass die natürliche Wand ihm nicht half: Sie teilte sich, die Felsen standen weiter voneinander entfernt als zuvor, und der Weg verbreiterte sich. Nach so vielen Klippen fiel der Hang nun sanfter ab. Andin hatte das ungute Gefühl, dass er nur auf eine weitere Hochebene gelangen würde. Doch die Hoffnung, endlich am Ende dieses verdammten Gebirges angekommen zu sein, flößte ihm neuen Mut ein und erlaubte ihm, mit sichererem Schritt wieder ins Unbekannte aufzubrechen.
     
    Seit der Wind zum Erliegen gekommen war, hob sich das Rollen der Kieselsteine klar vom Knacken des Ledersattels oder vom Rascheln der Pferdedecke ab. Andin mochte diese Art von Stille nicht: Sie versetzte all seine Sinne in
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