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Die Raeuber

Die Raeuber

Titel: Die Raeuber
Autoren: Friedrich Schiller
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den schriftlichen Bericht eines angeblichen Gewährsmannes, wonach der genialische ältere Bruder, einst ausgezeichnet durch Gestalt, Geist und Charakter, zu einem steckbrieflich gesuchten Räuber verkommen sei, »nachdem er zuvor die Tochter eines reichen Bankiers […] entjungfert und ihren Galan […] im Duell auf den Tod verwundet« habe. Wahr ist, dass Karl nach stürmischen, von Schulden und provozierenden Streichen gezeichneten Studentenjahren in Leipzig einen Brief an den Vater geschrieben hat, worin er sein Elend und seine Reue bekennt (Schiller variiert mit diesem Handlungszug das biblische Motiv des verlorenen Sohnes). Dass der Vater diese grobe Fälschung nicht in Zweifel zieht und die Antwort an Karl dessen Bruder Franz überlässt, weist ihn, wie Schiller in seiner Selbstrezension ausführt, als »klagend und kindisch« aus, »mehr Betschwester als Christ«. Im zweiten Auftritt des ersten Aufzugs stellt Schiller sogleich Karl vor, womit sich die antithetisch konstruierte Handlungsführung des Dramas sofort entfaltet – jener permanente, durch heftige Steigerungen und Katastrophen führende Wechsel der Szenen um Franz und Karl, dem das Schauspiel seine effektvollen Kontraste wie sein forciertes Tempo verdankt.
    Karl stellt sich in der enthusiastischen Manier des Sturm und Drang zunächst als freiheitsdürstender, von zeittypischem Abscheu (»Mir ekelt vor diesem tintenklecksenden Säkulum, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen Menschen«) an den provinziellen deutschen Zuständen erfasster Rebell dar, der aber zugleich geleitet ist von einer Idyllensehnsucht im Stile Rousseaus, mit der er das väterliche Heim und die dort auf ihn wartende Braut Amalia verklärt. Stattdessen erhält er einen unversöhnlichen Brief, den Franz angeblich auf Befehl des Vaters verfasst hat. Auch Karl fällt der Intrige zum Opfer; die beiderseitige Blindheit enthüllt die Brüchigkeit ihrer vermeintlich von »Blutliebe« getragenen Beziehung. Von Anfang an behauptet die Familientragödie sich als eine beherrschende Dimension des Stücks, und die väterliche Zurückweisung bedeutet zugleich die Absage an die bürgerliche Ordnung der Welt. Karl bekennt sich zu seinem Dasein als Räuberhauptmann. Die Szene, in der dieser Entschluss fällt, ist typisch für die pathetischen Aufgipfelungen, denen das Drama ständig zutreibt. Heftige Gebärden, durch Ausrufe, Superlative und rhetorische Parallelismen charakterisierte Sprachgesten übersetzen unmittelbar die Affekte, die sich der Personen bemächtigt haben.
    Mit seiner Bande tritt Karl in den böhmischen Wäldern als Rächer und Retter der Unterdrückten auf. Der junge Schiller lässt seine Helden in einer politischen, nicht mehr nur privaten Sphäre agieren, wobei die Opposition gegen die Gesellschaftsordnung stets auch den engeren Lebensbereich zerstört; die letztlich durch Gott gestiftete Ordnung der Welt findet ihre Entsprechung in der patriarchalisch strukturierten Familie, die Empörung gegen das Ganze bedeutet immer auch die Zerstörung der unmittelbaren Beziehungen, und Schillers Helden, die sich als Vollstrecker einer höheren sittlichen Ordnung verstehen, verstricken sich selbst in Schuld und wandeln sich zu tragischen Figuren, die als erhabene Verbrecher oder, wie in Kabale und Liebe , als mörderische Liebhaber erscheinen. Auch Karl Moor als Räuberhauptmann weiß sich mit Kumpanen zu verbinden, die nichts weiter sind als Räuber und Mörder (v.a. Spiegelberg), und er muss Taten vollbringen, die auch Unschuldige vernichten; um seinen Freund Roller vor dem Galgen zu retten, wird die Stadt in Flammen gesetzt, Kranke, Greise und Kinder kommen um. Insbesondere dieses Erlebnis veranlasst Karl Moor dazu, sein Räuberdasein aufgeben zu wollen und – nachdem er knapp einer feindlichen Übermacht entkommen ist, er schließlich doch seiner Bande Treue geschworen hat und ihm in der Episode des Räubers Kosinsky sein eigenes Schicksal widergespiegelt wird – nochmals das väterliche Schloss und die geliebte Braut Amalia unerkannt aufzusuchen.
    Dort hat inzwischen Franz Moor durch ein »Originalwerk« an kalkulierter Intrige den Vater in lähmende Verzweiflung und, wie er irrtümlich meint, in den Tod gestürzt. Einzig Amalia, die seine Werbung zurückweist und in Treue zu Karl hält, hat sich von ihm nicht blenden lassen. Die beiden letzten Akte führen die Brüder zusammen und erzwingen schließlich die Katastrophe. Zunächst errät Franz den verkleideten Bruder,
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