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Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Die Räder der Zeit: Roman (German Edition)
Autoren: Jay Lake
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mit einer Hand in die entsprechende Richtung. »Wenn wir an dieser Hügelkette vorbei sind, werden wir ein Stromgebiet entdecken, dem wir folgen und damit dieses Hochland verlassen können. Es wird uns bis zum Meer führen.«
    Er war sich nicht sicher, warum er das wusste. Sicherlich ein weiterer Fehler in seiner Erinnerung, denn er war noch nie so weit nördlich von der Mauer gereist.
    Später hörten sie in der Ferne das keuchende Geräusch von Luftschiffmotoren. Boas konnte den Typ nicht identifzieren, aber das unsichtbare Fahrzeug fuhr mit dröhnendem Grollen einfach über sie hinweg. Die Wachposten waren aufmerksam und starrten in die bewölkte Dunkelheit hinauf, schlugen aber keinen Alarm.
    Ihr werdet meine Geheimnisse nicht erfahren , sagte sich Boas in dieser Nacht. Ihr, die ihr sie mir aus den Armen gerissen habt, gerade als ich sie endlich wieder in meine Arme schließen wollte.
    Er wusste nicht, wen er mehr hasste, die Chinesen oder die Briten. Die Chinesen versuchten zumindest, ihn am Leben zu halten, während die Briten ihn mit aller Gewalt umzubringen versuchten. Er behielt seine Meinung vorerst für sich, verachtete sie aber alle.
    Kitchens
    Bernard Forthright Kitchens, Sonderbeauftragter der Admiralität, betrachtete sich kritisch in einem Spiegel, der über dem beschädigten Waschbecken seiner Mietwohnung hin.
    Seine Glattrasur war praktisch perfekt. Ein Vorteil seiner besonderen Ausbildung im ruhigen Umgang mit messerscharfer Klinge war die Verfeinerung seines Morgenrituals, das ihn von den gröberen menschlichen Exemplaren unterschied.
    Kitchens nahm das Rasiermesser erneut zur Hand. Die Klinge war scharf genug, um Muskelfleisch fast unbemerkt bis zum Knochen durchtrennen zu können, und so sollte es auch sein. Er glitt mit dem Klingenrand über seine Haut, die nach einer früheren Rasur nun trocken war, um sich einigen verirrten Barthaaren direkt über seinem gestärkten Hemdkragen zu widmen.
    Das sanfte Ziehen des Metalls an den Poren glich einer Liebkosung. Die Gefahr, die von einer so perfekten Klinge in der Nähe seiner Hauptadern ausging, verlieh ihm neue Kraft. Dieses glänzende Stück liebevoll gepflegten Stahls erregte in einem nachdenklichen Mann größere Leidenschaft, als es jede Straßendirne jemals vermochte.
    Er ließ das Rasiermesser zuschnappen und in die Ärmeltasche seines Cutaway gleiten. Der Zug nach Oxfordshire fuhr um 9 Uhr 7, und er musste ihn pünktlich erreichen oder alles verlieren, wofür er gearbeitet hatte. Die Queen, die wahre Queen, nicht diese angeheuerte Schauspielerin, die aus den Fenstern des Buckingham Palace auf die Massen starrte, erwartete ihn vor zwölf Uhr. Der neunte Duke of Marlborough beschützte seinen königlichen Schützling sans peur und sans pitié .
    Kitchens nahm seine Melone an ihrer festen Krempe in die Hand und holte sich seinen Regenschirm aus dem Ständer. Wie immer warf er einen letzten Blick auf sein Zimmer, bevor er es verließ. Ein Bett, eine Kleidermangel, ein kleiner Schreibtisch. Sein einziger Luxus war ein Regal mit Abenteuermagazinen, seinem geheimen Laster. Nur eine peinlich genaue Durchsuchung würde die finsteren Geheimnisse dieses Zimmers preisgeben. Wer dies versuchte, würde Finger verlieren und Vergiftungen erleiden.
    Zumindest war das seine Absicht.
    Als er sich draußen unter die Menge mischte, wurde Kitchens zu einem von vielen anonymen Männern auf den Straßen Londons, der munter vor sich hinpfiff und sich ganz aufs Geschäftliche konzentrierte.
    Er erreichte Woodstock lange vor Mittag, obwohl er einmal hatte umsteigen müssen. Nun befand er sich in einer kleinen englischen Stadt, die auf den Beobachter völlig unscheinbar gewirkt hätte, wären nicht an jeder Straßenecke Cameron Highlanders postiert gewesen. Fremde hätte man sofort aufgehalten und nicht sonderlich freundlich befragt. Kitchens aber wurde erwartet.
    Niemand fragte ihn nach seinem Namen, denn das war nicht notwendig. Er schritt zügig auf dem Kutschenweg aus und verließ den Ort Richtung Südwesten. Jeder Sonderbeauftragte der Admiralität wusste über dieses Ritual Bescheid, denn jeder von ihnen konnte zu allen Zeiten von der Krone höchstpersönlich nach Blenheim Palace zum Rapport befohlen werden.
    Das geschah aber fast nie.
    Ein Gentleman kümmerte sich nicht um Gerüchte, aber Kitchens war kein Gentleman; er war ein Beamter . Gerüchte gehörten zu seinem Handwerkszeug und wurden gerne auch als Geheimdienstinformationen bezeichnet. Als er über sich
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