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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai
Autoren: Laura Joh Rowland
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»Außerdem fand ich das Gegenstück zu dem Totenkopfschwert, das ich von der Zeugin bekam, deren vertrauliche Aussage Ihr soeben gehört habt. Und ich habe Übertragungsurkunden von drei Häusern entdeckt – eines in Nihonbashi, die beiden anderen in der Nähe des Zōjō-Tempels und Yoshiwaras –, alle unter verschiedenen Tarnnamen. Chūgos Unterlagen über seine Finanzgeschäfte beweisen, daß er diese Häuser gekauft hat, und zwar mit einem Darlehen von Matsui Minoru. Als ich die Häuser durchsuchte, entdeckte ich die Werkzeuge des bundori- Mörders: Bretter, eiserne Dornen, Schminke und Weihrauch, außerdem Blutspuren.«
    Magistrat Ueda, würdevoll in seinen schwarzen Gewändern, saß auf dem Podest, flankiert von Schreibern, die alle Aussagen niederlegten. »Die Beweise scheinen mir ausreichend«, sagte er; dann wandte er sich an den Gerichtsdiener. »Bringt Chūgo Gichin herein.«
    Sano hörte Chūgo kommen, noch bevor der Hauptmann der Palastwache den Gerichtssaal erreichte. Der draußen versammelte Mob rief zornig nach dem Blut des bundori -Mörders, und über das Geschrei hinweg waren Chūgos wildes Schimpfen und Toben zu hören. Der Hauptmann hatte während seiner Haftzeit im Gefängnis von Edo völlig den Verstand verloren.
    Die Haupttür flog auf, und die Wächter zerrten den fluchenden, sich aufbäumenden Gefangenen in den Saal. Der Shōgun, sein Gefolge und die anderen Anwesenden stießen erschreckt den Atem aus und wechselten gemurmelte Worte. Auch Sano starrte Chūgo an, so sehr hatte der Hauptmann sich verändert.
    Statt seiner Schwerter, der Rüstung und dem Wappen der Tokugawa trug Chūgo nun einen abgetragenen, schmutzigen Kimono. Die Hände waren ihm auf den Rücken gefesselt, und an den Beinen trug er eiserne Ketten. Er verdrehte die Augen und fletschte die Zähne. Sein Gesicht war eine Fratze des Wahnsinns.
    »Mögen die Dämonen all jene vernichten, die mich daran hindern, meinen Ahnherrn auf eine Weise zu ehren, wie es einem Samurai gebührt!« rief er und versuchte, die Gefangenenwärter abzuschütteln.
    Diese stießen Chūgo auf eine Matte, die auf dem shirasu lag, dem ›weißen Sand der Wahrheit‹, der den Fußboden vor dem Podest des Magistraten bedeckte. Erst nachdem die Wächter Chūgo mehrmals kräftig getreten hatten, verstummten seine Flüche, und er nahm eine kniende Haltung ein. Doch immer noch erklang tief in seiner Kehle ein zorniges, tierhaftes Knurren. Wenngleich Sano die schrecklichen Verbrechen Chūgos nicht vergessen konnte, verspürte er Mitleid für diesen einst so stolzen Krieger.
    »Chūgo Gichin, Ihr werdet des Mordes an drei Männern angeklagt: an Kaibara Tōju, hatamoto Seiner Hoheit, an dem rōnin Tōzawa Jigori und an dem Mönch Endō Azumanaru«, sagte Magistrat Ueda, wobei er den Mord an dem Eta überging, denn diese Menschen galten kaum mehr denn Tiere. »Überdies wird Euch zur Last gelegt, zwei Angriffe auf Leib und Leben des sōsakan Sano Ichirō befohlen zu haben. Der eine fand auf dem Palastgelände in Edo statt, der andere wurde von einem angeworbenen Schwertkämpfer in Nihonbashi verübt. Was könnt Ihr zu Eurer Verteidigung vorbringen?«
    »Es waren keine Morde«, erwiderte Chūgo mit scharfer Stimme. »Es waren Kriegshandlungen. Aus Vergeltung. Die Endō und Araki haben meinen Fürsten Oda Nobunaga getötet. Deshalb hatten sie den Tod durch meine Hand verdient!«
    Offensichtlich konnte Chūgo seine Opfer nicht mehr von den längst verstorbenen Verrätern unterscheiden und hielt sich selbst für General Fujiwara. Er warf Sano einen flammenden, haßerfüllten Blick zu. »Ich mußte handeln, bevor Kaibara starb, der letzte Angehörige des Araki-Klans. Dann beschloß ich, jeden noch lebenden Endō zu töten. Dieser verfluchte sōsakan hat versucht, mich aufzuhalten; deshalb habe ich einen Meuchler beauftragt, ihn zu töten. Und hätte ihn nicht schon jemand anders verprügelt, dann hätte ich das zuvor auch noch getan!«
    Magistrat Ueda runzelte die Stirn. »Demnach leugnet Ihr den letzten Anklagepunkt, den Überfall auf dem Palastgelände, nicht aber die anderen?«
    »Leugnen, was ich getan habe?« Chūgos Lachen hörte sich beinahe wie das Heulen eines Hundes an. »Warum? Alle Welt soll wissen, daß General Fujiwara endlich den Mord an seinem Fürsten gerächt hat!«
    Unruhe erfaßte die Zuschauer; Rufe und Stimmengewirr wurden laut. Wenngleich Sano über die geistige Verwirrung des Hauptmanns entsetzt war, verspürte er doch Erleichterung, daß Chūgo
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