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Die Rache des Samurai

Die Rache des Samurai

Titel: Die Rache des Samurai
Autoren: Laura Joh Rowland
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widerstehen, einen raschen Blick in die Höhe zu werfen, als ihr gefürchteter und geliebter Herr vorüberkam.
    Oda Nobunaga, Fürst der Provinz Owari. Der Mann, der von dem Ehrgeiz erfüllt war, dereinst das ganze Land zu regieren, erstrahlte in seiner Rüstung so hell wie der Abendstern. Die Rüstung war aus Hunderten metallener und ledernen Platten gefertigt, die mit einer blauen Schnur aus Seide zusammengebunden und mit leuchtenden Lackfarben bemalt waren; dazu trug er einen gußeisernen Helm, der von zwei geschnitzten goldenen Hörnern gekrönt wurde. Er ritt ein prächtiges schwarzes Roß. Seine Miene war ernst, als er sich nun vom Pferderücken schwang, um sich mit den drei Generälen zu beraten, die ihn in die hölzerne Feste mit den weiß getünchten Palisadenmauern begleitet hatten.
    Wieder durchlief Geflüster die Reihen der Männer: »Marune ist gefallen!«
    Entsetzen erfaßte den Jäger. Er holte, wie auch die anderen, scharf Atem. Jetzt, da Fürst Odas Grenzfeste erobert war, stand nichts mehr zwischen ihnen und den Truppen des feindlichen Fürsten Imagawa, die fünfundzwanzigtausend Mann stark waren und nun gegen sie vorrückten. Der Jäger und seine Kameraden waren dem Untergang geweiht. Doch die Angst um sich selbst verblaßte angesichts seiner Furcht um Fürst Oda.

    Das Geräusch von Schritten riß den Jäger zurück in die Gegenwart. Er verdrängte das schwelende Entsetzen und das Bild der bedrohten Festung und schaute hinaus auf die Straße. Zu seiner Linken schälte sich die Gestalt eines älteren Samurai aus den Nebelschwaden. Er trug Lang- und Kurzschwert seiner Kriegerkaste an der Hüfte.
    Der Jäger genoß das berauschende Gefühl der Erregung, als er den Griff seines eigenen Samurai-Langschwerts packte. Bebend vor Begierde wartete er darauf, daß der Mann näher kam. Er richtete seine Gedanken auf den bevorstehenden Kampf. Doch ein Teil seines Geistes schweifte zu jenem längst vergangenen Morgen zurück.

    Die Tore der Festung öffneten sich, um zwei schwitzende Späher einzulassen. »Imagawas Heer ist in der Schlucht vor dem Dorf Okehazama!« riefen die Späher und eilten durch das Lager, um Fürst Oda die Nachricht zu überbringen.
    Der Jäger und seine Kameraden hatten die Bedeutung dieser Mitteilung kaum in sich aufgenommen, als sie sich bereits auf dem Marsch befanden: zweitausend Mann – ein jämmerlich kleiner Haufe im Vergleich zu der gewaltigen feindlichen Streitmacht, die sie erwartete. Beritten oder zu Fuß zogen die Männer dahin; zuerst die Bannerträger, dann die Arkebusen- und Bogenschützen, gefolgt von den Schwertkämpfern und Speerschwingern; den Schluß bildeten Fürst Oda Nobunaga und seine Generäle. Sie alle schmachteten in der Gluthitze, die über den Hügeln und Reisfeldern flirrte.
    Es wurde Mittag, und träge floß die Zeit dahin, doch schließlich hielten die Männer hinter einer Kuppe dicht vor der Schlucht und warteten auf den Befehl zum Angriff. Der Jäger konnte Stimmen hören, die aus dem Inneren der Schlucht drangen – fröhliche Gespräche, trunkenes Lachen und Gesang. Die Truppen Imagawas feierten jetzt schon ihren Sieg über Fürst Oda. Der Jäger lauschte, wartete. Gespanntes Schweigen senkte sich auf die Hügelflanke. Regungslos verharrte er, wagte kaum zu atmen.
    Plötzlich türmten sich im Westen dunkle Gewitterwolken auf und verdeckten die Sonne. Blitze zuckten über den Himmel; Donner ließ die Erde erbeben wie der Schlag einer gewaltigen Kriegstrommel. Die ersten Regentropfen klatschten zu Boden. Als wäre es ein Zeichen des Himmels, hob Fürst Oda seinen großen goldenen Kriegsfächer und ließ ihn wieder sinken, wobei er die Luft mit einer entschlossenen Bewegung durchschnitt. Die Kriegsfanfare schmetterte den Befehl:
    Angriff!
    In einer einzigen, geschlossenen Bewegung sprangen die Männer auf und stürmten in die Schlucht. Riesige Regenschleier peitschten den Jäger, als er sich gegen den Sturm vorankämpfte. Vor ihm war die erste Angriffsreihe bereits in der Schlucht verschwunden. Er hörte das Dröhnen von Gewehrfeuer und die überraschten Schreie der Imagawa-Krieger. Als der Jäger sich den Hang hinunterrutschen ließ, hinein in das wirbelnde Chaos aus Leibern auf dem Grund der Schlucht, schlug sein Herz lauter als der Donner.
    Das Unwetter hatte Imagawas Soldaten in den Schutz einer Baumgruppe getrieben. Nun versuchten sie verzweifelt, ihre naß gewordenen, nutzlosen Hakenbüchsen zu laden, oder griffen nach Bögen, Speeren und
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