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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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Prinz, der Dryk hat zweiundvierzig Arten zu sterben in seinem Maul. Jede einzelne wartet nur auf euch!«
    Sigurd winkte ab, und in seinen wasserblauen Augen blitzte die Vorfreude. Er sah es als faires Duell.
    Jon und Gelen tauschten einen Blick. Der Übermut Si-gurds war nicht neu, und auch wenn sie von König Gernot den Befehl hatten, den Prinzen zu schützen – wie sollten sie das tun? Größer als sein Mut war Sigurds Tollkühnheit, die sich jedem guten Rat widersetzte.
    Also teilten sie sich auf, um den Dryk zu stellen. Sigurd marschierte langsam in die Richtung des Schattens. Er machte sich nicht die Mühe, dabei übermäßig leise zu sein. Der Dryk hatte ihn vermutlich schon gewittert, als er mit seinen Freunden auf die Hochebene gekommen war. Die Sinne dieses Tiers waren hoch entwickelt, und Furcht kannte es so wenig wie sein Jäger.
    Es gab nicht mehr viele Dryks in Island. In den vergangenen Generationen war es guter Brauch für junge Krieger gewesen, die Tiere zu erlegen, um das Leder zu robusten Stiefeln zu verarbeiten und das Horn als Trinkspitze auf Metschläuche zu setzen. Der scharfe Backenzahn eines Dryk, an einer Lederschnur um den Hals getragen, galt als Zeichen von Mannesmut. Und das nicht zu Unrecht – viele Gefolgsleute des Hofes humpelten oder trugen einen steifen Arm als Zeichen der Begegnung mit einem Dryk. In metseligen Nächten lästerte man gerne, dass isländische Männer mehr Narben vom mächtigen Kiefer des Bullenschweins trugen als von glorreichen Schlachten.
    Sigurd war nun nahe genug, um die Größe des Dryk abzuschätzen. Es war ein Prachtexemplar, an der Schulter fast so hoch wie Sigurd, das stachelige schwarzgraue Fell feist an den mächtigen Flanken, und zwei leicht gebogene Hörner auf dem flachen Schädel, die einen Mann vom Brustkorb bis zum Rücken durchstoßen konnten. Der Kiefer unter der feuchten Schnauze mahlte Steppengras, während die dunklen Augen hin und her pendelten. Ein Dryk mochte vielleicht ruhig aussehen, war aber immer auf dem Sprung.
    Acht, vielleicht neun Jahre alt. Sicher so schwer wie ein kleines Schiff und so groß wie zwei Ochsen.
    Ihn zu überraschen war nahezu unmöglich. Sigurd ging langsam auf das Tier zu, mit einer selbstverständlichen Ruhe, die den Dryk einlullen sollte. Seine Arme hielt er locker an der Seite, als wolle er beweisen, dass er unbewaffnet war.
    Der Dryk schnaubte leicht – ein Warnzeichen. Heißer Atem fauchte aus seinen Nüstern.
    Sigurd hielt inne. Er begann zu summen. Irgendein Lied von vergangenen Zeiten und verlorener Liebe, das in endlosen Nächten an den Feuern gesungen wurde. Er blieb dabei leise genug, dass der Dryk sich auf ihn konzentrieren musste und seiner unmittelbaren Umgebung weniger Aufmerksamkeit schenkte. Zusätzlich begann Sigurd, die Arme zu schwenken, nicht herausfordernd, sondern in weichen, fließenden Bewegungen, wie sein Vater Gernot es ihm beigebracht hatte.
    Der Dryk schnaubte nun nicht mehr – er knurrte. Das Knurren kam tief aus seinem kehligen Schlund, und auf dem Weg in die kalte Herbstluft nahm es schäumenden Speichel mit.
    Sigurd stand genau an der Stelle, die der Dryk noch hinzunehmen bereit war. Es waren dreißig, vielleicht vierzig Schritte. Der Prinz summte nun lauter, schlug stärker mit den Armen in der Luft. Es war ein eingespieltes Ritual, tausendfach erprobt.
    Aus dem Augenwinkel konnte Sigurd sehen, dass Jon sich in Position gebracht hatte. Er stand rechts hinter dem Dryk, vielleicht zwanzig Schritte entfernt. Wenn es gelang, das Tier abzulenken, konnte Sigurds Freund mit einer schnellen Attacke den ersten Angriff ausführen, vielleicht schon den entscheidenden Stich.
    Gelen war nirgendwo zu sehen. Aber das war im Moment nicht wichtig. Es ging auch so. Sigurd ballte die Hände zu Fäusten, um Jon zu bedeuten, dass er bereit war. Sein Freund hob die lange Klinge, ging etwas in die Knie und bereitete sich auf die Attacke vor.
    In diesem Moment machte Sigurd einen Fehler: Er blickte kurz zu Jon, um sich zu vergewissern, dass alles seine Ordnung hatte. Und der Dryk konnte in den Augen des Prinzen lesen, dass da noch jemand sein musste. Hinter ihm.
    Sigurd ahnte, dass die Jagd nun eine unglückliche Wendung nahm.
    »Hai-ho!«, schrie er, so laut er konnte, um die Aufmerksamkeit des Dryk wieder auf sich zu lenken, doch er konnte Jon nicht mehr helfen. Dieser befand sich schon in vollem Lauf, als das Bullenschwein den mächtigen Kopf herumriss und den heranstürmenden Isländer sah. Es ergab
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