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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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Anwesenheit zu ertragen. Er reiste dennoch mit, entschlossen, sich mit seiner Schwester auszusöhnen.
    Wieder folgten Wochen, in denen ich bangend auf der Wehrmauer stand, den Blick diesmal gen Osten gerichtet.
    Gernot erzählte mir, dass das Fest nach anfänglichem Frost ausgelassen und heiter gewesen sei. Die Hunnen verstanden zu feiern, und an warmen Feuern flossen exotische Tränke. Etzel war begierig, als Fürst anerkannt zu werden und das Leben als ewiger Steppenreiter für die Hand Kriemhilds aufzugeben. Er sah nicht einmal Schmach darin, den Sohn Siegfrieds als seinen eigenen aufzuziehen. Wenn doch nur einer geahnt hätte, dass Kriemhild in jener Nacht nicht auf Versöhnung aus war, sondern auf Blut!
    Irgendwann, als den meisten Burgunder Kriegern Beine und Verstand schwer von Met und Wein waren, zogen die Getreuen der Königin von Xanten ihre Schwerter, und es begann ein Gemetzel, dessen Grausamkeit selbst die Götter ihren Blick abwenden ließ. Kehlen wurden durchtrennt, Gliedmaßen abgehackt, und mit starren Augen landeten die Leiber des stolzen Burgund im Staub der Fremde. Die Krieger Etzels wagten nicht einzugreifen, und als ihr Herrscher merkte, dass er Opfer eines Ränkespiels geworden war, da wandte er sich ab von Kriemhild. Doch die Königin hatte erreicht, was zu erreichen war, und fand ihren Frieden in der Klinge Gunthers, so wie der König von Burgund seinen Frieden im Dolch seiner Schwester fand. Sie starben einander in den Armen liegend, als wäre das Band der Familie niemals durchtrennt worden.
    Es ist Etzel hoch anzurechnen, dass er aus Wut und Enttäuschung über den Verrat nicht alle überlebenden Xantener hinrichten ließ – und meinen Gernot gleich dazu. Doch er, der so oft als Barbar verspottet worden war, zeigte jenes Maß an herrschaftlicher Würde, das uns verloren gegangen war – er übergab das Kind von Kriemhild und Siegfried an Gernot und schickte den Burgunder Prinzen fort, auf dass er nie wieder einen Fuß auf Hunnenland setzen solle. Der Fluch der Nibelungen, Etzel wollte ihn nicht in seinen Grenzen haben.
    So kehrte Gernot zurück nach Burgund, zurück zu mir, das Kind Siegfried im Arm. Dänemark, Xanten, Burgund und Island – alles Reiche, die nun ohne Herrscher waren. Lange saßen wir am Feuer beim Gedanken, was zu tun sei. Gernot zeigte mir den Ring, den Siegfried getragen hatte und der von Kriemhilds toter Hand kam. Ich hatte die Legenden gehört, ihnen aber wenig Glauben geschenkt. Dennoch – es gab keinen Grund mehr, den Göttern zu vertrauen. Wir brachten den Ring zurück in den Wald, zu den Nibelungen, und gaben ihnen, was ihnen gehörte, in einem letzten Versuch, den Bann zu brechen. Dann nahmen wir das Kind Siegfried, zwei Pferde und ein wenig Proviant und machten uns auf den Weg nach Norden, nach Island. Dort, fast am Ende der Welt, erhofften wir uns Frieden – und Abstand von Hass und Neid. Eolind hatte das bescheidene Reich umsichtig und weise geführt, und mit wenig Mühe hielten wir den kleinen Hof beisammen.
    Das ist nun siebzehn Jahre her, siebzehn wunderbare, friedliche, berauschende Jahre. Siegfried, den wir Sigurd nennen, ist mehr, als ich mir je zu wünschen wagte. Er wächst scheinbar von Tag zu Tag, und er ist ein guter, feiner junger Mann, aus dem dereinst ein weiser König wird.
    Und doch bleibt da die Lüge. Die Lüge seiner Herkunft. Oft habe ich Gernot gefragt, ob Sigurd nicht das Recht auf die Wahrheit habe. Die Wahrheit über seinen Vater, seine Mutter – und die Reiche, die untergingen in ihrem Kampf. Doch wir brachten es nicht über uns. Die Liebe, die Sigurd zu uns als Eltern empfindet, ist so unendlich und stark, dass wir ohne sie nicht leben mögen. Sie ist fast so groß wie die Angst, dass der Junge sich auf das Erbe seines Vaters beruft – und damit auf den Fluch.
    Aber tief in meinem Herzen fürchte ich, dass der Tag kommen wird, an dem die Götter den Schleier von der Erinnerung ziehen, an dem das hässliche Licht der Wahrheit auf uns fällt. Ich bete, dass uns Sigurd an diesem Tag verzeihen wird. Und dass einmal, dieses eine Mal nur, die Lüge nicht mit Leid bezahlt werden muss ...

1
Sturm am Horizont

    E lsa war allein, wie immer allein. Sie stand an einer Klippe, an der riesige Wellen brachen. Die Schaumkronen leckten am Stein empor und griffen mit wütender Gischt nach ihrem Kleid, das sich langsam vollsog. Ihre Füße berührten nicht den Boden, taten es nie. Sie schwebte gerade hoch genug, dass das feuchte Gras ihre
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