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Die Rache Der Nibelungen

Titel: Die Rache Der Nibelungen
Autoren: Torsten Dewi , Wolfgang Hohlbein
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Obwohl Gelen mit seinem weichen Gesicht und der fülligen Gestalt nicht wie ein Krieger aussah – an Mut hatte es ihm nie gefehlt. Doch die Augen des Dryk waren nun auf Sigurd gerichtet.
    »Gelen!«, rief der Prinz. »Schütze Jon!«
    Dann sprang er auf und begann zu laufen.
    Zuerst war das Gefühl, mit schnellen Schritten durch den Wald zu hetzen, sehr befreiend – aber bereits nach kurzer Zeit hörte Sigurd hinter sich den massigen Leib des Dryk durch das Unterholz brechen. Das Tier folgte ihm, schneller und stärker als Slepnir, das achtbeinige Pferd Odins. Sigurds Lunge begann zu brennen, und knorrige Äste bissen in sein Fleisch.
    Dreihundert, vierhundert Schritte vielleicht noch bis zur nächsten Lichtung. Sigurd hatte nur eine vage Vorstellung, was er dort tun würde. Aber es war wichtig gewesen, den Dryk von seinen Freunden wegzulocken.
    Weiter, immer weiter. Haken schlagen, zwischen breiten Stämmen hindurch in der Hoffnung, der Dryk müsse ausweichen. Die Füße auf einmal in einem kalten Bach – mit dem Strom aufwärtsrennen, um die Spur zu verwischen? Hoffnungslos, der Dryk roch den Isländer Schweiß bis zum Horizont.
    Sigurd stolperte mehr auf die Lichtung, als dass er rannte. Große Findlinge lagen herum, kaum ein Baum war zu sehen. In der Vorzeit hatten die Ahnen hier Zeremonien abgehalten, von denen selbst die mutigsten Krieger nur zu flüstern wagten. Heute war kaum noch zu erkennen, ob die Steine von den Göttern gesetzt oder von Menschen herbeigeschleift worden waren.
    Mühsam kletterte Sigurd auf einen der mannshohen Findlinge, wobei er immer wieder am weichen Moss abrutschte. Endlich oben angekommen ging er in die Hocke, so wie große Krieger vor einem König knieten.
    Der Dryk durchbrach nun die Baumgrenze zur Lichtung. Seine Augen fanden Sigurd, und seine Flanken zitterten erregt. Er ging langsam auf den Stein zu, auf dem sich seine Beute befand.
    Sigurd fühlte sich vergleichsweise sicher. Am Boden war der Dryk kaum zu besiegen, aber in keiner der Lagerfeuer-Geschichten hatte er je klettern können. Und selbst mit der Kraft von tausend Dryk war dem Findling nicht beizukommen.
    Das Biest umkreiste langsam den Findling, schnüffelte am Moos, schabte mit den Hörnern am Stein.
    »Respekt«, keuchte Sigurd. »Die Krieger bei Hofe haben nicht gelogen. Du bist fürwahr ein würdiger Gegner.«
    Das Bullenschwein grunzte.

    Elsa mochte den Geruch von Salz, den der Wind vom Meer herübertrug. Sie liebte es, den rauen Stein der Mauern unter ihren bleichen Händen zu spüren, während sie in die Ferne starrte. Heute jedoch tat es in vielen kleinen Wunden weh – in der Nacht hatte sie träumend die Fingernägel so sehr ins eigene Fleisch gedrückt, dass Blut geflossen war.
    Die Kälte des isländischen Herbsts kroch durch ihr dunkles Kleid, und Schauer rieselten ihre Haut hinunter. Doch sie wollte sich nicht in Felle hüllen oder in ihrer Kammer verkriechen. Ihr Blick war fest auf den Horizont gerichtet, nach Südosten. Manchmal kniff sie die Augen zusammen, so fest, dass sie meinte, das Festland jenseits des Meeres sehen zu können. Es war still.
    Die Burg, die vor langer Zeit in den Fels der Bucht an der Südspitze Islands gehauen worden war, mochte nicht jedermanns Vorstellung eines schönen Zuhauses entsprechen. Der schwarze Vulkanfels war so spröde wie das Land, in dem das Eis oft auch den Sommer überstand. Jede Ernte war ein Kampf, und oft genug blieb der karge Boden siegreich. Die Menschen hatten sich dem angepasst, arbeiteten hart, ohne dafür viel zu verlangen. Es war ein Königreich ohne Glanz.
    Und genau deshalb liebte Elsa Island so sehr. Sie hatte sich in Burgund immer wie eine Ausgestoßene gefühlt, wie ein schwarzes Teil eines weißen Mosaiks. Dieses Gefühl starb, als ihre Füße erstmals den Kies am Strand des verlassenen Insel-Königreichs gespürt hatten. Ihre Familie mochte vor drei Generationen aus Tronje gekommen sein – ihr Herz war Island.
    Eine plötzliche Böe wehte ihr glattes schwarzes Haar durcheinander, doch bevor sie es aus ihrem Gesicht streichen konnte, kam eine Hand über ihre linke Schulter und schob die Strähnen sachte beiseite. Sie nahm die Hand und küsste sie.
    »Heimweh?«, fragte Gernot leise, während er seine Arme von hinten um sie schlang und sein Umhang über ihre Schultern fiel.
    Elsa lächelte sanft. »Wo du bist, ist meine Heimat.«
    Sie hatte ihm kaum von dem Traum erzählt.
    Der König von Island, der eigentlich Thronfolger von Burgund hätte
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