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Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Autoren: Johanna Geiges
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seine dichten, weißen Haare lang und wurde noch immer als die Autorität respektiert, die er seit vielen Jahrzehnten für seine Untertanen darstellte.
    In letzter Zeit fror er häufig, und so war sein Lieblingsplatz am Kamin der großen Halle im Herrenhaus, in der früher so viele und fröhliche Feste stattgefunden hatten, wie er jetzt melancholisch dachte, als er zwei Holzscheite in das prasselnde Kaminfeuer warf. Seit sein einziger Sohn Chassim seine Frau und das Kind bei der Geburt verloren hatte, das war jetzt über drei Jahre her, hatte es keinen Anlass für ein Fest mehr gegeben. Und jetzt war auch noch Chassim beim Turnier in Oppenheim schwer verletzt worden, wie er von seinem Schwiegersohn Graf Georg von Landskron wusste, der ihm regelmäßig durch Brieftauben Botschaften schickte. Seit Wochen wartete Claus von Greifenklau auf eine neue Nachricht. Er wusste nur, dass Chassim zwischen Leben und Tod schwebte und von einer Medica gepflegt wurde, von der es hieß, dass sie es mit dunklen Mächten hielt. Angeblich hatte sie sogar bei hoffnungslosen Fällen eine Heilung bewirkt. Claus von Greifenklau gab nicht viel auf Gerüchte, die einfachen Leute waren oft abergläubisch und redeten viel, wenn der Tag lang war. Er war zeit seines Lebens immer ein Mann der Tat gewesen und nie ein Freund von Intrigen, Kabalen und Verleumdungen. Seine Devise hieß: »Sag ja oder nein, aber nichts dazwischen!« Das hatte sein früherer, im fernen Sizilien weilender Freund und Kampfgefährte, Kaiser Friedrich II ., immer so an ihm geschätzt, als er noch an des Kaisers Seite geritten und sein getreuer Gefolgsmann im letzten Kreuzzug gewesen war. Auch heute noch, über ein Jahrzehnt später, war er ein loyaler Anhänger der Staufer und würde es bis in den Tod hinein bleiben.
    Bei dem Gedanken an für immer vergangene Abenteuer in fernen Ländern und seine verlorene Jugend wurde ihm dann doch manchmal ein wenig wehmütig ums Herz. Aber dann riss er sich stets gleich wieder zusammen. Bei Gott, er hatte nicht vor, sich in seiner eigenen Sentimentalität und Rührseligkeit zu verkriechen. Seine Sorge galt ganz seinem Sohn, von dem er hoffte, dass er bei dieser Medica, die angeblich Wunder wirken konnte, in guten Händen war und wieder gesund wurde. Er wusste, dass die Medica zusammen mit ihrem jüdischen Lehrmeister das Leben seiner Tochter Ottgild, die mit dem Grafen von Landskron verheiratet war, und deren Sohn bei einer schweren Geburt gerettet hatte und dass Chassim seither ein Auge auf sie geworfen hatte. Das hatte ihm sein Sohn gestanden, bevor er im Sommer mit seinen zwei Pferdeknechten zum Turnier nach Oppenheim aufgebrochen war. Und jetzt war es Herbst geworden. In den langen und einsamen Abendstunden vor dem Kamin, in denen er vor Sorge um seinen Sohn nicht einschlafen konnte, betete er inständig um die Gnade, Chassim doch noch gesund wiederzusehen, bevor Gott der Herr ihn, Claus von Greifenklau, zu sich rufen würde.
    Er warf noch einen Scheit in das Kaminfeuer, als er plötzlich von draußen laute Schreie und Stimmen vernahm. Was war da los? Er stemmte sich aus seinem Lehnstuhl, den ihm der Zimmermann des Dorfes, das zu seiner Grafschaft gehörte, nach seinen Angaben geschreinert hatte, und wollte gerade zur Tür gehen, die ins Freie führte, als sie schon aufgerissen wurde und ein aufgeregter Bursche, es war Ambros, wie er an der Stimme erkannte, ohne das übliche Anklopfen laut hereinplatzte und nach Atem ringend kundtat: »Verzeiht, Euer Gnaden – aber Euer Sohn Chassim ist soeben eingetroffen!«
    Der alte Graf konnte es nicht fassen – seine Gebete waren erhört worden! Er vernahm laute Stimmen, Lachen, Schritte und dann ein seltsames Geräusch, das sich anhörte, als komme jemand mit einer Krücke über den Steinboden auf ihn zugehumpelt, und dann wurde er von einem kräftigen, wenn auch patschnassen Kerl umarmt, der nur sein Sohn sein konnte. »Chassim«, war alles, was er herausbrachte, als er ihn an sich drückte und vergeblich versuchte, seine Tränen zurückzuhalten, »Chassim … Gott sei Dank, du lebst!«
    »Und wie, Vater!«, war die lachende Antwort seines Sohnes, »was bin ich froh, dich gesund und lebendig wiederzusehen!«
    »Und ich erst, mein Sohn, und ich erst!«, flüsterte der alte Graf.
    Chassim löste sich und legte seinem Vater den Arm um die Schultern. »Vater, ich möchte dir jemand vorstellen.«
    »Du hast sie mitgebracht?« Claus von Greifenklau lächelte unter Tränen, für die er sich
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