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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin
Autoren: Kelly Medling
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hast ihn bestimmt verlegt.«
    »Dein Vater hat dich dazu angespitzt«, fluchte er. »Komm, sag’s mir, er muss es ja nicht erfahren.«
    »Niemand hat mich zu irgendetwas angespitzt.« Ich versuchte, das Thema zu wechseln. »Hast du heute Morgen deine Pillen genommen?«
    »Sie sind gekommen, um mich zu holen, verstehst du? Ich weiß nicht, wie sie mich nach all den Jahren finden konnten – aber es ist so. Und womit soll ich mich verteidigen, etwa mit dem verdammten Buttermesser?«
    Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn so reden hörte. Mein Großvater war fünfundachtzig Jahre alt, und offen gesagt verlor er langsam den Verstand. Zunächst waren die Anzeichen nur vereinzelt aufgetreten, er vergaß, Lebensmittel einzukaufen, oder sprach meine Mutter mit dem Namen meiner Tante an. Aber während des Sommers hatte seine schleichende Demenz eine grausame Wende genommen: Die fantastischen Geschichten, die er über sein Leben während des Krieges erfunden hatte – die Monster, die verzauberte Insel –, waren für ihn zu einer grausamen Realität geworden. Vor allem während der letzten Wochen hatte er sehr nervös gewirkt, und meine Eltern, die befürchteten, er könne für sich selbst zu einer Gefahr werden, spielten ernsthaft mit dem Gedanken, ihn in einem Altersheim unterzubringen. Aus irgendeinem Grund erhielt jedoch nur ich diese apokalyptischen Anrufe von ihm.
    Wie immer gab ich mein Bestes, um ihn zu beruhigen. »Du bist in Sicherheit. Es ist alles in Ordnung. Ich komme später bei dir vorbei und bringe uns ein Video mit. Okay?«
    »Nein! Bleib, wo du bist! Hier ist es nicht sicher!«
    »Die Monster sind nicht mehr hinter dir her. Du hast sie im Krieg alle getötet, erinnerst du dich?« Ich drehte mich zur Wand, damit Linda dieses bizarre Gespräch nicht mithören konnte. Sie tat so, als würde sie eine Modezeitschrift lesen, und warf mir zwischendurch neugierige Blicke zu.
    »Nicht alle«, widersprach er. »Nein, nein! Ich habe viele erledigt, sicher, aber es gibt immer noch welche.« Ich hörte, wie er durchs Haus lief, Schubladen aufriss, Türen zuschlug. Er drehte zweifellos durch. »Aber du bleibst weg, hast du gehört? Ich komme schon klar – ihnen die Zungen rauszuschneiden und die Augen auszustechen, das ist die einzige Chance! Wenn ich nur diesen verdammten Schlüssel finden könnte!«
    Besagter Schlüssel öffnete einen riesigen Spind in Grandpa Portmans Garage. Darin befand sich ein Arsenal an Schusswaffen und Messern, das ausreichen würde, um eine kleine Armee auszurüsten. Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass Grandpa Portman ein Waffennarr war: Er hatte sein halbes Leben damit verbracht, Waffen zu sammeln, reiste zu Messen in andere Bundesstaaten, unternahm lange Jagdausflüge und schleppte seine sich sträubende Familie an sonnigen Wochenenden auf Schießplätze, damit alle den Umgang mit Waffen lernten. Er liebte seine Waffen so sehr, dass er sie manchmal sogar mit ins Bett nahm. Als Beweis besaß mein Dad einen alten Schnappschuss: Grandpa Portman beim Mittagsschlaf, mit der Pistole in der Hand.

    Als ich meinen Dad fragte, warum Grandpa so verrückt auf Waffen sei, erklärte er mir, dass so etwas bei ehemaligen Soldaten schon mal vorkäme – oder bei Menschen, die etwas Traumatisches erlebt hatten. Ich vermutete, dass sich mein Großvater nach allem, was er durchgemacht hatte, nirgendwo sicher fühlte, nicht einmal in seinem eigenen Zuhause. Ironischerweise traf das jetzt, da ihn der Verfolgungswahn überwältigte, sogar zu. Angesichts all dieser Waffen war er zu Hause wirklich nicht sicher. Deshalb hatte mein Dad den Schlüssel in Verwahrung genommen.
    Ich wiederholte die Lüge und behauptete, nicht zu wissen, wo der Schlüssel sei. Während Großvater suchend durch das Haus stampfte, ging das Türenknallen und Fluchen weiter.
    »Also gut!«, sagte er schließlich. »Soll dein Vater diesen verdammten Schlüssel doch behalten, wenn er ihm so wichtig ist. Und meine Leiche kann er direkt dazu haben!«
    Ich beendete das Gespräch so höflich wie möglich und rief anschließend meinen Vater an.
    »Grandpa dreht durch«, erzählte ich ihm.
    »Hat er seine Pillen genommen?«
    »Wollte er mir nicht verraten. Aber es klang nicht danach.«
    Ich hörte Dad seufzen. »Könntest du bei ihm vorbeifahren und nachsehen, ob alles in Ordnung ist? Ich kann jetzt nicht von der Arbeit weg.« Dad arbeitete stundenweise als Freiwilliger für das Vogelrettungszentrum, wo er sich um verletzte
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