Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin
Autoren: Kelly Medling
Vom Netzwerk:
in die er eigentlich nicht gehörte.
    »Evy«, sagte ich.
    Er lächelte, wobei zwei Reihen kleiner, ebenmäßiger Zähne zum Vorschein kamen. »Phin.«
    »Könnten wir das vielleicht drinnen weiterbesprechen?«, fragte Wyatt. »Immerhin ist es mittlerweile helllichter Tag. Zwei blutverschmierte Typen und ein geflügelter Kerl neben einem demolierten Auto erregen da höchstwahrscheinlich Aufsehen. Und wir haben uns in den letzten zehn Jahren nicht zum Spaß angestrengt, um genau das zu vermeiden.«
    Phin schürzte die Lippen, und diesmal war es eindeutig kein Lächeln. »Dachtest du etwa, es würde keine Aufmerksamkeit erregen, Sunset Terrace niederzubrennen?«
    »Damit hatte ich nichts zu tun.« Wyatt hatte die Stimme gesenkt. Ein gefährliches Zeichen.
    »Aber deine Leute waren daran beteiligt.«
    »Meinst du, dass ich das nicht weiß?«
    Obwohl sie viel weiter als eine Armeslänge voneinander entfernt waren, stellte ich mich dazwischen. »Ich dachte, wir wollten hineingehen?«, sagte ich.
    »So wie ihr ausseht, werdet ihr mit Sicherheit jemanden erschrecken, wenn ihr so durch den Haupteingang hineingeht«, meinte Phin.
    Was du nichts sagst, Flügelmann. »Hast du einen besseren Plan?«
    »Welches Haus?«
    Ich deutete über meine Schulter. »Fünfter Stock, Ostflügel, wenn ich mich nicht irre. Vor ein paar Tagen ist die Balkontür eingeschlagen worden, und ich nehme an, dass sie nicht repariert worden ist. Treffen wir uns oben?«
    Phin neigte den Kopf zur Seite wie ein neugieriger Spatz. »Ich dachte, ich fliege euch beide hinauf.«
    »Du kannst uns beide tragen?«, fragte Wyatt.
    »Ich bin kräftiger, als ich aussehe.« Doch als Wyatt ihn weiterhin besorgt anblickte, fügte er hinzu: »Ich kann euch auch einzeln nacheinander hinaufbringen, wenn euch das lieber ist.«
    »Ist mir lieber.«
    »Können wir uns endlich auf den Weg machen?«, fragte ich. Je länger wir in der Seitenstraße standen, desto mehr Augenpaare bildete ich mir ein, die uns bereits anstarrten. Leute, die uns beobachteten, sich wunderten und mit ihren Handys Fotos schossen. Gremlins konnten den elektronischen Datenfluss zwar meisterhaft manipulieren, aber wenn sie einen Download nicht frühzeitig erwischten, konnte er sich wie ein Lauffeuer ausbreiten.
    Und damit wäre wieder Aufmerksamkeit erregt, was die Triaden so sehr zu verhindern versuchten. Nicht dass es weniger auffällig wäre, mit dem Engelexpress zum Balkon hochzufliegen.
    »Ladys first?«, fragte Phin.
    Ich sah zu Wyatt, der mit unverhohlenem Zweifel eine Braue hochzog. Ich ging nicht davon aus, dass Phin mich in die Höhe tragen und dann fallen lassen würde. Wenn er uns hätte töten wollen, hätte er das bereits erledigen können, als wir ihn noch gar nicht bemerkt hatten. Deshalb zwinkerte ich Wyatt zu und wandte mich zu Phin um. »Wie machen wir das jetzt?«
    »Kannst du das erst abnehmen?«, fragte er und deutete auf meinen Hals.
    Ich fasste nach meiner Kette und wollte gerade nach dem Grund fragen, als mir einfiel, dass sie aus Silber war. Wenn er Silber berührte, konnte er einen schmerzhaften Ausschlag bekommen. Wortlos öffnete ich den Verschluss und verstaute die Kette in meiner Tasche.
    Phin lächelte. »Danke. Verschränke die Arme vor deiner Brust und klemme dir die Hände unter die Achseln.«
    Diese Haltung kam mir nicht gerade bequem vor. Trotzdem begriff ich, wozu das gut sein sollte. Er stellte sich so dicht hinter mich, dass sein Kinn mein Ohr berührte, schlang die vollkommen glatten Arme um meinen Bauch und verschränkte sie gleich unterhalb von meinen Ellbogen. Obwohl er nur aus Muskeln und Sehnen zu bestehen schien, fühlte er sich doch so weich und leicht an, als wäre er zur Hälfte aus Luft.
    Da ich mit den Kauzlingen jahrelang befreundet gewesen war, hatte ich viele Gestaltwandler kennengelernt, doch an Phin überraschte mich alles. Nie zuvor war ich mit einem solchen Wesen in einen derart engen Körperkontakt gekommen. Darum spürte ich nun zum ersten Mal, wie anders so ein Leib war, der in Bewegung und Aussehen – abgesehen von den Flügeln – doch so sehr meinem eigenen glich.
    Er schlug mit den Flügeln, und dank deren Spannweite von vier Metern verursachte er dabei Luftwirbel wie bei einem Raketenstart. Wir stiegen in die Höhe und flogen so schnurgerade dahin, als würden wir auf einem Hochseil laufen. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Nun, da meine Beine zehn Meter über dem Boden baumelten, wollte ich nach seinen Armen fassen, um mich an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher