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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter
Autoren: John Maddox Roberts
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schon unter Wasser, Herr«, informierte der Bootsmann mich.
    »Ich bin plebejischer Ädile und will mir ein Bild von den Flutschäden machen«, erklärte ich ihm. »Setze mich einfach dort ab.«
    Eine Reihe von Booten bevölkerte an jenem Morgen die Straßen und Plätze. Bei der stillen Luft und dem strahlenden Sonnenschein hätte es fast so angenehm sein können wie eine Bootspartie in der Bucht von Baiae, wenn da nicht noch immer der alles umhüllende, widerwärtige Gestank gewesen wäre. Er war eher noch stärker geworden als am Vorabend. Hier und da sah ich Bläschen an die Oberfläche aufsteigen und platzen, dieeinen noch übleren Geruch verbreiteten. Mit einem flauen Gefühl im Magen wurde mir bewußt, daß es sich um Verwesungsgase handeln mußte, die aus den Abflüssen blubberten.
    Unser Kahn legte ein paarmal an, um Passagiere an Land zu lassen, doch schließlich näherten wir uns dem Theater. Die hoch aufragende Fassade, gekrönt von drei Reihen mit Bögen, die alle von einer Statue in stattlicher Größe geziert wurden, dominierte die gesamte Umgebung wie ein Palast, den die Götter inmitten der Sterblichen errichtet haben, um sie an ihre Bedeutungslosigkeit zu erinnern.
    Der Fährmann steuerte sein Boot direkt durch den Haupteingang, bevor es nach etwa zwei Bootslängen auf Grund lief. Die Aussicht, in dieses Wasser zu steigen, gefiel mir gar nicht, aber ich sagte mir, daß das Wasser hier unten in der Nähe des Flusses vielleicht sauberer war. Zumindest war der kleine Tunnel nicht von dem überwältigenden Gestank erfüllt, so dass ich mir Hoffnungen machen konnte.
    Ich zog meine Sandalen aus und gab sie Hermes, der sie in seinen Beutel stopfte. Dann legte ich meine Toga ab, rollte sie zusammen und gab sie ebenfalls Hermes. Ich biß die Zähne zusammen und stieg von Bug der Barke. Das kalte Wasser reichte mir bis an die Unterschenkel.

    »Wir können nicht auf dich warten, Ädile«, sagte unser Fährmann. »Ich muß noch die anderen Passagiere absetzen.
    Möchtest du, daß wir zurückkommen?«
    »Ich weiß nicht, wie lange ich mich hier aufhalten werde«, erklärte ich ihm. »Ich winke mir von den oberen Rängen jemanden heran, wenn ich ein Boot brauche.«
    Hermes sprang ab, ohne ein allzu großes Geplantsche zu veranstalten, und wir beobachteten, wie die Schiffer ihren Kahn zurück durch den Gang navigierten und sich dabei mit ihren Pfählen von den Wänden abstießen. Der Anblick war ausgesprochen seltsam, und das lag nicht nur daran, dass ein Boot in einem Theater für gewöhnlich nichts zu suchen hat. Die symmetrische Verzierung der Wände enthüllte vielmehr, daß das Wasser an einer Wand höher stand als an der anderen.
    Auch Hermes hatte es bemerkt. »Das Wasser sieht aus, als ob es schief steht.«
    »Es ist nicht das Wasser«, belehrte ich ihn. »Das Gebäude steht uneben. Damit hätte ich rechnen müssen. Wir wissen schließlich, woraus es gebaut ist. Komm mit.«
    Wir wateten durch das schlammige Wasser, stets auf der Hut vor Ratten, von denen ich jedoch nur wenig sah. Irgend etwas sprang und spritzte im Wasser.
    »Was war das?« fragte Hermes überrascht.
    »Ich weiß nicht, aber ich hoffe, es war ein Fisch.« Ich hatte die hoff-nungsvollen Worte kaum ausgesprochen, als das ganze Gebäude einen gewaltigen, ächzenden Seufzer tat, der minutenlang anzudauern schien. »Sei nicht beunruhigt«, ermahnte ich Hermes, selbst gründlich alarmiert, »du warst doch schon mal kurz nach Sonnenaufgang im Circus. Die Wärme läßt das Holz ächzen.«
    Wir betraten das gigantische Halbrund des Zuschauerraums und schauten uns um. Der Himmel über uns war strahlend blau, die hohen Masten standen aufrecht wie eh und je, und die Sitze sahen aus, als würden sie nur noch auf Zuschauer warten. Über der Bühne erhob sich die dreigeschossige
    scena , dekorative Architektur, vergoldete Halbpfeiler, künstlicher Lorbeer über sämtlichen Baikonen, und alles erstrahlte in frischer Farbe. Unterhalb von Sitzrängen und Bühne aber war nichts als Wasser. Ich fragte mich, ob das Licht wieder ein Spiel mit mir trieb, weil dieses Wasser nicht braun war wie das vor den Toren, sondern dunkelrot wie getrocknetes Blut.
    »Möge das kein böses Omen sein!« sagte ich, die alte Formel wiederholend, die Lepidus vor einigen Stunden verwendet hatte.
    »Warum sieht das Wasser so aus?« fragte Hermes. »Ist es die Farbe, die sie benutzt haben?«
    »Ich glaube nicht.« Ich betrat das Parterre, wo bei einer Vorstellung die Senatoren
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