Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Die Puppe: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Zähne bekommen, wenn ich nicht gespielt habe, was sie wollten.«
    AJ schweigt lange und stellt es sich vor. Welche Grausamkeiten sind noch in Isaacs Kopf eingeschlossen? Er möchte sagen, dass es ihm leidtut, möchte Isaac berühren – aber bevor er das tun kann, atmet Isaac tief und zittrig ein. Seine Stimme klingt sehr dünn und sehr fern. »Noch was, AJ«, murmelt er. »Eins noch.«
    »Was denn?«
    »Es wird nur noch ein paar Minuten dauern. Länger nicht. Sie werden dann glauben, es ist erledigt. Ist es aber nicht. Das Ende ist noch nicht gekommen.«
    »Isaac?« AJ legt den Kopf zur Seite und runzelt die Stirn. »Das Ende? Wovon reden Sie?«
    Isaac antwortet nicht. Er lächelt, doch seine Augen sind glasig. Sein Gesicht ist starr. AJ stemmt sich hoch, weg von der Wand. Steht auf und geht zum Bett.
    »Isaac?«
    AJ hat jahrelange Erfahrung. Sein Adlerblick hätte etwas merken müssen, aber es ist ihm einfach entgangen. Blut blubbert aus Isaacs Mund. Seine Lippen sind grau.
    »Isaac.« Er packt ihn, doch Isaac fällt gegen ihn und ist plötzlich schwer. Seine Augen rollen nach oben in die Höhlen. » Isaac – mein Gott . HILFE !« Fummelnd tastet er nach dem Alarm an seinem Gürtel. » Sanitäter – schafft die verdammten Sanitäter her, sofort!«
    2. November
    Monster Mother hat einige der schlimmsten Geschöpfe zur Welt gebracht, aber jedes Einzelne ist ihr Nachwuchs. Sie ist verantwortlich für sie alle, ob gut oder schlecht. Der Tag der Toten ist gekommen – Allerseelen –, und heute kommen die Seelen der Verstorbenen zurück, um ihre Lieben zu besuchen. Es ist eine Zeit des Aufruhrs. Sie ist hin- und hergerissen von den Stimmen ihrer dahingegangenen Kinder.
    Das Anziehen ist ein besonders verwirrendes Problem. Welche Farbe gibt sie einem Tag, der so vielfältig ist – mit so vielen Streifen von Gut und Böse, so vielen Tüpfeln von Trauer und Glück? Sie hat die Deckenlampe eingeschaltet und durchstöbert ihren Kleiderschrank, um etwas zum Anziehen zu finden. Die Vorhänge sind geschlossen – die Geister sind alle da draußen und wollen hereingelassen werden, sie flirren vor dem Fenster hin und her. Noch wagt sie nicht hinzuschauen, denn wenn sie es tut, wird ihr Kopf hin- und hergerissen werden, so schnell, dass er abreißt.
    Ihr fehlender Arm hat einen Geist – einen dunkelrosa Geist. Karmesinrot. Wie der Sex und der Zorn, die sie dazu gebracht haben, ihn abzuschneiden. Für ihren Arm nimmt sie also dunkelrote Schuhe. Pauline, die arme Pauline – ihr Geist ist so dünn, dass man ihn zwischen den andern nicht hören kann. Sie ist das fahle, ausgebleichte Gelb des Mieders, das Monster Mother sich aussucht. Zelda war ein böses Mädchen – so böse und so lebendig. Sie war ein Feuerwerkskörper, und das rote Haarband hinten im Schrank ist für sie.
    Als Nächstes muss sie an Miss Arrow denken. »Maude.«
    Welche Farbe für sie? Sie ist ein Flickwerk, hell auf dunkel. Wenn sie glücklich war, war die Klinik ein sicherer Ort. Wenn sie unglücklich war, schlich »Maude« durch die Korridore. Fand den Weg im Dunkeln durch verschlossene Türen. Monster Mother bekommt Gänsehaut, wenn sie nur an »Maude« denkt. Die Gier und die Wut, die Cleverness. Melanie Arrow ist nicht mehr in der Klinik – aber ihre Wut, ihre Macht, ihre Not dringt aus der Polizeizelle herüber wie eine Radiowelle und sucht Monster Mother. Sie zieht ein Paar Handschuhe hervor. Sie sind aus einem violetten Samt, der in einem bestimmten Licht fast schwarz aussieht. In einem anderen ist er leuchtend lila. Schön und trügerisch wie der tödliche Nachtschatten.
    Als Letztes sucht sie den Rock aus. Das dauert eine Weile, denn der Rock stellt Isaac dar, und Isaac ist so vieles. So schrecklich vieles. So clever und so traurig. So unberechenbar.
    Sie entscheidet sich für fleischfarbenes Crêpe unter einem weißen Netz, das mit einer Million silberner Pailletten bestickt ist. Isaacs Farbe war gar nichts – niemand hat ihn bemerkt. Doch für die, die ihn richtig gesehen haben, war er eine Million Lichtpunkte. In dem Augenblick, als er aus der Klinik entlassen wurde, hat Monster Mother gewusst, dass er derjenige sein würde, der Melanie Arrow richten würde.
    Sie drückt sich den Rock ans Gesicht, und die Pailletten sind wie raue Knoten an ihrer Haut. Isaac ist tot, er ist aber nicht weg. Er ist noch nicht fertig. Er ist clever, und er ist ein Universum aus Sternen.
    Sie zieht die Sachen an. Als sie ganz sicher ist, dass sie bereit ist,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher