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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Stock mit einem Baby, das seinen Aktionsradius täglich erweitert, eine Notwendigkeit ist, aber es ist einfach zu beschissen heiß geworden – brutale dreiunddreißig Grad Celsius –, so dass sich Isabel auf den Weg gemacht und welche von diesen megaschweren Sicherheitsriegeln aus schwarzem Metall besorgt hat. Per Kreditkarte gekauft und selbst drangemacht.
    Während Christian Louis um ihre Knöchel herumscharwenzelt, lässt sie »sie« wieder hinter die Pancake-Backmischung gleiten. Sie könnte im Kühlschrank nachsehen, ob die Eiscremetorte (Oreo-Streusel!) noch da ist, aber das kommt ihr unnötig vor. Wo sollte eine Torte schon hin? Sie zieht Christian Louis über den Küchenfußboden und platziert ihn vor einem anderen Schrank ohne irgendwelche Gifte. Aber da die Griffe nicht zusammengeklebt sind, zeigt er wenig Interesse. Da ist er ganz der Vater: Ist etwas nicht verboten, interessiert es ihn nicht. Er sitzt ganz still vor dem Schrank, einen skeptischen Ausdruck auf dem Gesicht. Aber Mama kennt sich aus. Als sie sich bückt und die Türen öffnet, den Blick auf die Schätze freigibt, lacht er. Er ist eh ein großer Lacher. Er greift in den Schrank und zieht alle Töpfe und Pfannen heraus. Sie legt einen Holzlöffel vor ihn auf den Boden, und er greift danach, weil er das jetzt kann. Er kann nach Sachen greifen. Und, leck mich am Arsch, kann er Krach machen. Den Löffel in der Hand, vor sich die Töpfe, macht er sich an die Arbeit und ding-dong-dengelt drauflos, was das Zeug hält.
    Wäre Alfredo jetzt zu Hause, würde er sagen, der kleine Mann wird sicher mal’n Drummer, so wie der Typ von den Roots. Wird uns ein Vermögen einbringen.
    Während ihr Baby auf die Töpfe eindrischt, setzt Isabel sich auf den Küchenstuhl und pustet Ballons auf. Sie riechen ekelig, wie unbeschichtete Kondome, und nach dem ersten Dutzend schielt sie bereits ein bisschen. Ihre Fingerspitze wird vom Zuknoten lila. Schweiß punktet ihr Trägerhemd auf dem Rücken, aber das hat vielleicht weniger mit der Anstrengung als mit der Luftfeuchtigkeit in der Wohnung zu tun, die einem die Kehle zuschnürt. Benommen wirft sie einen Ballon in Richtung des kleinen Schlagzeugers, sanft prallt er von seinem Gesicht ab. Er lacht. Sie wirft noch einen, und diesmal schlägt er mit dem Löffel danach. Er erwischt ihn nicht – holt aus und daneben! –, aber wäre Alfredo hier, würde er den Versuch loben, etwas sagen wie: »Der kleine Mann wird sicher mal ein Schlägerass wie Piazza. Und uns Kohle wie Heu einbringen.« Und Isabel wird wie immer entgegnen: »Der kleine Mann wird, was er will.«
    Hofft sie zumindest.
    Sie reibt einen Ballon über seinen Kopf. Das weiche, dunkle Haar steht ihm zu Berge, als habe er gerade eine Gabel in die Steckdose gesteckt. Das besser gleich wieder streichen. Zu beängstigend, die Vorstellung. Das weiche, dunkle Haar steht ihm zu Berge, als wäre er … als wäre er … als wäre er der kleinste verrückte Wissenschaftler der Welt. Wie fände sie das? Die Mutti eines zukünftigen Leichenreanimators zu sein? Klingt toll. Er könnte sie nach ihrem Tode wieder zum Leben erwecken. Sie könnten zusammen auf Teleportationsreisen gehen, seinen hundertsten Geburtstag auf dem Jupiter feiern. Sie drückt den Ballon an die Wand, wo er haften bleibt. Sie wünschte, sie könnte statische Aufladung erkären – sie wird es in einem Computer in der Bücherei nachschauen –, aber die fehlende Erklärung scheint Christian Louis, den zukünftigen Wissenschaftler, das zukünftige Angriffsobjekt fackelschwingender Horden, nicht zu beunruhigen. Er starrt den Ballon an und patscht sich vor die Stirn. Noch immer lachend, geradezu entzückt, schnappt er sich einen anderen Ballon und steckt sich das zugebundene Ende in den Mund.
    Isabel springt von ihrem Stuhl und reißt ihm den Ballon aus der Hand. Sie erinnert sich an etwas, das ihre Mutter, die Puta, ihr einmal von einer Cousine erzählt hat, einem kleinen Mädchen daheim in Puerto Rico, die einen nicht aufgepusteten Ballon verschluckt hatte und daran erstickt war. Isabels Herz rast. Christian Louis beobachtet, die Ärmchen ausgestreckt, wie sie den Ballon außer Reichweite bringt, die Finger greifen ins Leere. Wenn sie im letzten Jahr eines gelernt hat, dann dass ihr Wonneproppen erstaunlich schwer kleinzukriegen ist, und dennoch gilt, Vorsicht ist besser als Nachsicht, das Motto aller Mütter weltweit. Mit einer Nadel aus einem Nadelkissen in Tomatenform zersticht sie den Ballon. Ein
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