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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber
Autoren: Roger Zelazny
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mehr, was ich gesagt habe.«
    »Ich würde dich gern besser kennenlernen. Erzähl mir mehr.«
    Ich machte mit den Lippen ein schnalzendes Geräusch und zuckte die Achseln.
    »Dann dies.« Er machte eine Handbewegung. »Dieser ganze Konflikt. Wie hat er begonnen? Wie sah deine Rolle darin aus? Fiona hat mir erzählt, du habest viele Jahre lang ohne Erinnerung in den Schatten gelebt, in einem Schattenreich namens Erde. Wie bist du zurückgekehrt, wie hast du deine Brüder und Schwestern gefunden – und Amber?«
    Ich lachte leise. Noch einmal blickte ich zu Random und dem Unwetter hinüber. Ich trank einen Schluck Wein und zog den Mantel enger um mich.
    »Warum nicht?« sagte ich dann. »Wenn du dir gern lange Geschichten anhörst ... Am besten fange ich wohl mit der Greenwood-Privatklinik an, die sich auf der Schatten-Erde meines Exils befindet. Ja ...«
     

14
    Während ich redete, drehte sich der Himmel – einmal, zweimal. Dem Sturm den Weg versperrend, hielt Random seine Position. Das Unwetter teilte sich vor uns, teilte sich wie von einer Riesenaxt gespalten. Zu beiden Seiten wallte es davon und verschwand schließlich, schwächer werdend, im Norden und Süden. Die Landschaft, die die Erscheinung verdeckt hatte, blieb bestehen, doch die schwarze Straße war verschwunden. Merlin meint, das sei allerdings kein Problem, er könne jederzeit eine durchsichtige Bahn herbeirufen, wenn der Augenblick des Weitermarsches gekommen ist.
    Random ist inzwischen fort. Er hat unglaubliche Anstrengungen hinter sich. Im Schlaf hatte er keine Ähnlichkeit mehr mit seinem früheren Ich – mit dem forschen jüngeren Bruder, den wir immer gern neckten. Über sein Gesicht zogen sich Furchen, die neu für mich waren, Spuren einer seelischen Tiefe, auf die ich bisher nicht geachtet hatte. Vielleicht waren meine Eindrücke von den jüngsten Ereignissen beeinflußt, doch er kam mir irgendwie edler und stärker vor. Kann eine neue Rolle solche Auswirkungen haben? Vom Einhorn ernannt, vom Unwetter gesalbt, schien er mir in der Tat etwas Königliches an sich zu haben, sogar im Schlaf.
    Auch ich habe geschlafen – so wie Merlin jetzt schläft –, und es ist ein angenehmes Gefühl, in dieser kurzen Zeit vor seinem Erwachen der einzige wache Geist auf dieser Klippe am Rande des Chaos zu sein, zurückschauend auf eine überlebende Welt, eine Welt, die schlimme Narben davongetragen hat, die aber dennoch weiterbestehen wird ...
    Es mag sein, daß wir Vaters Beerdigung verpaßt haben, sein Dahintreiben an einen namenlosen Ort jenseits der Höfe. Das wäre traurig, doch ich hatte einfach nicht die Kraft, mich zu rühren. Immerhin habe ich seinen Leichenzug gesehen und trage viel von seinem Leben in mir. Ich habe meinen Abschied von ihm genommen. Er würde das verstehen. Und leb wohl, Eric! Nach so langer Zeit sage ich dies, auf diese Weise. Hättest du so lange gelebt, wäre es zwischen uns aus gewesen. Vielleicht wären wir eines Tages sogar Freunde geworden, nachdem sich alle Ursachen für unsere Auseinandersetzungen gelegt haben. Wir beide waren uns ähnlicher als alle anderen Mitglieder unserer Familie. Bis auf Deirdre und mich, in anderer Hinsicht ... Aber die Tränen darüber sind längst getrocknet. Doch auch dir noch ein Lebewohl, liebste Schwester! Irgendwo in meinem Herzen wirst du immer weiterleben.
    Und du, Brand ... Mit Bitterkeit erfüllt mich die Erinnerung an dich, wahnsinniger Bruder. Du hättest uns in deinem Ehrgeiz beinahe vernichtet. Fast wäre es dir gelungen, Amber von seinem hohen Thron auf Kolvir zu stürzen. Du hättest sämtliche Schatten vernichtet. Beinahe hättest du das Muster zerstört und das Universum nach deinem Bilde umgeformt. Du warst verrückt und böse, und du kamst der Verwirklichung deiner Ideen so nahe, daß ich selbst jetzt noch zittern möchte. Ich bin froh, daß es dich nicht mehr gibt, daß die Pfeile und der Abgrund dich verschlungen haben, daß du die Welt der Menschen mit deiner Gegenwart nicht mehr beschmutzt und nicht mehr die süße Luft Ambers mit deinem Atem verpestest. Ich wünschte, du wärest nie geboren worden oder wärest, da dies ja nicht möglich ist, früher gestorben. Genug! Es setzt mich herab, solchen Gedanken nachzuhängen. Sei tot und belaste mich nicht mehr!
    Ich gebe euch aus wie ein Kartenspiel, meine Brüder und Schwestern. Es ist schmerzlich und ein wenig herablassend, in Verallgemeinerungen zu sprechen, doch ihr ... ich ... wir scheinen uns alle verändert zu haben, und ehe
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