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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber
Autoren: Roger Zelazny
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einen Schluck und reichte ihm den Wein.
    »Durchaus möglich«, sagte ich, »daß Amber gar nicht mehr existiert. Es hängt alles davon ab, ob dein Großvater mit einem Versuch, den er begonnen hat, Erfolg gehabt hat
    – aber er kann uns nicht mehr sagen, was mit ihm in Amber geschah. Wie dem auch sei, auf jeden Fall gibt es ein Muster. Wenn wir dieses dämonische Unwetter überstehen, dann sollst du ein Muster finden, das verspreche ich dir. Ich werde dich unterweisen und dafür sorgen, daß du es durchschreitest.«
    »Vielen Dank«, sagte er. »Erzählst du mir jetzt von dei
    nem Ritt hierher?« »Später«, sagte ich. »Was hat man dir von mir erzählt?« Er wandte den Blick ab. »Man lehrte mich, viele Aspekte Ambers abzulehnen«, antwortete er schließlich und fuhr nach kurzem Zögern fort: »Vor dir als meinem Vater brachte man mir Respekt bei. Aber man ließ mich nicht darüber im unklaren, daß du der gegnerischen Seite angehörtest.« Wieder schwieg er. »Ich erinnere mich an den Patrouillenritt, als du an diesen Ort kamst und ich dich nach deinem Kampf gegen Kwan fand. Damals war ich schwankend in meinen Gefühlen. Du hattest gerade jemanden umgebracht, den ich kannte – und doch mußte ich deine Art bewundern. In deinem Gesicht sah ich das meine. Es war irgendwie seltsam. Ich wollte dich näher kennenlernen.«
    Der Himmel hatte sich einmal völlig gedreht, bis nun die Dunkelheit über uns stand und die Farben über dem Chaos. Das gleichmäßige Vorrücken der blitzenden Sturmfront wurde durch diesen Effekt betont. Ich beugte mich vor und griff nach meinen Stiefeln und begann sie anzuziehen. Bald war es Zeit für unseren Rückzug. »Wir werden unser Gespräch in deiner Heimat fortsetzen müssen«, sagte ich. »Es ist Zeit, vor dem Unwetter zu fliehen.«
    Er wandte sich um und betrachtete die Elemente, dann starrte er über den Abgrund.
    »Ich kann einen Himmelssteg rufen, wenn du willst.«
    »Eine der dahintreibenden Brücken, wie du sie benutzt hast, als wir uns zum erstenmal begegneten?«
    »Ja«, antwortete er. »Sie sind sehr angenehm. Ich ...«
    Aus der Gruppe meiner Verwandten stieg ein Schrei auf. Als ich hinüberblickte, schien sich nichts Bedrohliches zu tun. Also stand ich auf und machte einige Schritte auf die anderen zu, während Merlin sich hinter mir aufrichtete.
    Dann sah ich es. Eine weiße Gestalt, die aus dem Abgrund aufstieg, scheinbar in der freien Luft einhertrabend. Die Vorderhufe trafen auf den Felsrand, dann trat das Wesen vor und blieb stehen, uns alle betrachtend: unser Einhorn.
     

13
    Einen Augenblick lang vergaß ich Schmerzen und Müdigkeit. Hoffnung flackerte in mir auf, während ich die zierliche weiße Gestalt betrachtete, die vor uns verharrte. Eine innere Stimme forderte mich auf vorzustürzen, doch eine stärkere Kraft hielt mich in Bann, zwang mich, reglos abzuwarten.
    Wie lange wir so verhielten, vermochte ich nicht zu sagen. An den Hängen unter uns hatten sich die Soldaten auf das Abrücken vorbereitet. Die Gefangenen waren gefesselt, Pferde beladen, Kriegsgerät verstaut worden. Diese gewaltige Armee hatte in ihren Marschvorbereitungen plötzlich innegehalten. Es war keine natürliche Erscheinung, daß sie die Vorgänge bei unserer Gruppe so schnell bemerkt hatte – trotzdem war jeder Kopf, den ich sehen konnte, in unsere Richtung gedreht, das Einhorn am Abgrund betrachtend, dieses wunderschöne Geschöpf vor dem belebten Himmel.
    Ich spürte plötzlich, daß der Wind hinter mir sich beruhigt hatte; der Donner allerdings grollte weiter und explodierte, und die Blitze ließen huschende Schatten vor mir erscheinen.
    Ich dachte an die andere Gelegenheit, da ich das Einhorn zu Gesicht bekommen hatte – beim Einholen der Leiche des Schatten-Caines, an dem Tag, da ich meinen Kampf gegen Gérard verloren hatte. Ich dachte an die Geschichte, die ich gehört hatte ... Konnte dieses Wesen uns wirklich helfen?
    Das Einhorn trat einen Schritt vor und blieb stehen.
    Es war so lieblich anzuschauen, daß allein der Anblick aufmunternd auf mich wirkte. Es löste allerdings auch eine schmerzhafte Überreaktion aus, war doch seine Schönheit von einer Art, die man nur in kleinen Dosen genießen sollte. Irgendwie spürte ich die unnatürliche Intelligenz in dem schneeweißen Kopf. Ich spürte den Drang, das Tier zu berühren, wußte aber, daß das nicht ging.
    Das Geschöpf ließ seinen Blick über uns wandern. Seine Augen richteten sich auf mich, und ich hätte den Kopf
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