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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition)
Autoren: José Saramago
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Einzigartigkeit des Namens und auch, weil ein großes Schild ein Kuriositätenmuseum ankündigt, entscheidet sich der Reisende für einen Aufenthalt in Romeu. Allerdings war es in Vilaverdinho, wo er erfuhr, dass die Idee für die Verschönerungen von einem ehemaligen Minister für Städtebau stammt, und auch, dass man sich dabei eines »humanen Gedankens« rühmt, worauf in angemessener Inschrift mit umrandeten Buchstaben auf einem riesigen Felsblock am Straßenrand hingewiesen wird, auf dem steht, dass die »Bewohner niemals vergessen werden«, wie zur Einweihung im August 1964 der und der Präsident anwesend war. Solche Inschriften sind immer zweifelhaft, man stelle sich nur zukünftige Historiker und Epigraphiker vor, die diese Steine sehen und glauben, was darauf steht. Vor den Namen des Präsidenten hat jemand »Verbrecher« geschrieben, ein verstörendes Wort, das in künftigen Zeiten vielleicht gar nicht mehr existiert.
    In Romeu dann das Museum. Dort gibt es alles nur Erdenkliche zu sehen: Automobile von Dona Elvira, Karren und Pferdegeschirr, Fernsprecher und Bleisulfidradioempfänger, Zithern, Musikboxen, Pianolas, verschiedenste Uhren, einige der ersten Telefone, die es hier gab, Trachten, Fotografien, kurz, ein Sammelsurium an kleinen Schätzen, die einen zum Schmunzeln bringen. Dieses sind die kruden Vorfahren der neuen Technologien, die uns zu ihren Sklaven und zu Ignoranten machen. Der Reisende verlässt das Museum mit einem Achselzucken, dankt aber der Familie Meneres, deren Empfehlung es gewesen war. Man lernt nie aus.
    Es nieselt. Der Reisende stellt den Scheibenwischer an und wieder aus, sodass er die Landschaft sehen kann und sie gleich darauf verschwimmt, wie in einem bewegten Aquarium. Linker Hand die Serra da Nogueira, ein ansehnliches Gebirge mit seinen dreizehnhundert Metern Höhe. Ein weiterer Spaß ist das Passieren der Bahnübergänge, die auf seiner Durchreise glücklicherweise alle geöffnet sind. Auf dreißig Kilometern sind es allein fünf: Rossas, Remisquedo, Rebordãos, Mosca und noch einer, dessen Namen er vergessen hat.
    Von dieser Anhöhe kann man endlich Bragança sehen. Der Nachmittag geht rasch dem Ende entgegen, der Reisende wird müde. Eine Unruhe, die jeden Reisenden befällt, der Unterschlupf sucht, überkommt ihn. Er muss ein Hotel finden, einen Ort, wo er essen und schlafen kann. Da erscheint ein orangefarbenes Schild: Pousada . Zufrieden biegt er ab, fährt den Hügel hoch und erblickt eine wunderschöne Landschaft in der Dämmerung, bis er zu einem Gebäude kommt, einem Haus, Bauwerk, wie immer man es nennen mag, hier zu nächtigen dürfte jedenfalls niemandem in den Sinn kommen. An dieser Stelle sollte man sich den Meister aller Reisenden, Almeida Garrett, in Erinnerung rufen, der, als er nach Azambuja kommt, mit seinen Worten sagt: »Man eilt, in einem eleganten Haus abzusteigen, das die drei Bereiche Hotel, Restaurant und Café in sich vereint. Heiliger Himmel! Welch eine Hexe an der Tür! Welch ein Loch! Da fällt einem ja die Feder aus der Hand.« Dem Reisenden fällt nicht die Feder aus der Hand, weil er keine benutzt. Auch steht keine alte Frau vor der Tür. Aber ein Loch ist es. Der Reisende flieht, er flieht, bis er ein Hotel findet, das zwar nicht ganz seinen Vorstellungen entspricht, aber nicht schlecht aussieht. Dort bleibt er, dort isst er, und dort schläft er.

Ein Schnaps in Rio de Onor
    Manchmal beginnt man mit dem, was am weitesten entfernt liegt. Normalerweise würde man, wenn man nach Bragança kommt, sich erst einmal in der Stadt umsehen und dann das Umland inspizieren, die Felsen, die Landschaft, eben der natürlichen Hierarchie nach. Aber der Reisende hat eine fixe Idee: Er will unbedingt nach Rio de Onor. Nicht dass er sich großartige Wunder davon verspräche, schließlich ist Rio de Onor nichts weiter als ein kleines Dörfchen, in dem weder Goten noch Mauren ihre Spuren hinterlassen haben, aber wenn ein Mann in Büchern blättert, dann behält er Namen, Fakten und Eindrücke in Erinnerung, und all das entwickelt und verkompliziert sich, bis es, wie in diesem Fall, zum Mythos wird. Der Reisende ist weder Ethnologe noch Soziologe, und niemand erwartet außergewöhnliche oder überhaupt irgendwelche Entdeckungen von ihm. Er hat lediglich den berechtigten und nur allzu menschlichen Wunsch, zu sehen, was andere vor ihm sahen, in die Fußstapfen anderer zu treten. Rio de Onor ist für den Reisenden wie ein Wallfahrtsort: Jemand hat ihm einmal von
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