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Die Portugiesische Reise (German Edition)

Die Portugiesische Reise (German Edition)

Titel: Die Portugiesische Reise (German Edition)
Autoren: José Saramago
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abgebrochen, die Figuren auf dem Mauervorsprung ringsum haben ihre Form verloren, aber nur schwerlich wird man auf größere Reinheit und verklärtere Schönheit stoßen. Diese Kirche, die Igreja de Adeganha, ist etwas, das man im Herzen trägt, wie der gelbe Fels von Miranda.
    Der Reisende fährt eine Straße entlang, die in noch schlimmerem Zustand ist. Die Aufhängung des Wagens knarrt und protestiert, und es ist eine Erlösung, als inmitten all dieses Sumpfes und Schlammes endlich Junqueira auftaucht. Der Ort hat keine besondere Bedeutung. Aber da der Reisende in der Lage ist, sich seine eigenen Kunstwerke zu erfinden, betrachtet er die Fassade einer barocken Kapelle ohne Dach, in der ein üppiger Feigenbaum wächst, der bereits die Giebelhöhe überragt. Durch ein rundes Dachfenster, das Ochsenauge, würde man an die Feigen gelangen, wäre es nicht ein wilder Feigenbaum. Die Begeisterung des Reisenden für diese Dinge sorgt im Ort für Verwunderung. Oberhalb der Mauer erscheint der Kopf eines Mädchens, dann noch einer, schließlich die Mutter der beiden. Der Reisende stellt irgendeine Frage, sie antworten ihm mit ruhiger transmontanischer Stimme, und als die Unterhaltung ihren Gang nimmt, weiß der Reisende bald einiges über die Familie, zum Beispiel die schreckliche Geschichte von verzauberten Prinzessinnen, die in hohen Türmen gefangen gehalten werden, aus der hervorgeht, dass die beiden Mädchen diesen Ort nie verlassen haben, nicht einmal um nach Torre de Moncorvo zu fahren, das nur dreizehn Kilometer entfernt ist. Der Vater lässt sie nicht weg, mit jungen Mädchen ist das so eine Sache, da muss man aufpassen, Sie wissen ja, wie das ist. Der Reisende hat davon gehört, ja, also beschließt er, nicht weiter darauf einzugehen: »Und, wie lebt es sich sonst so hier?« »Mühsam «, antwortet die Frau.
    Nach Unterhaltungen dieser Art hat der Reisende immer schlechte Laune. Deswegen hat er kaum Augen für Vila Flor, wo er den Regenschirm aufspannen musste, einem Bekannten eine Nachricht übermittelte und sich den heiligen Michael über dem Kirchenportal ansah. Dem Reisenden ist aufgefallen, dass dem Erzengel in dieser Gegend besondere Verehrung entgegengebracht wird. Schon in Mogadouro hat er ihn gesehen, auf dem Altar der Heiligen Seelen, und auch anderswo, überall sind die Menschen beunruhigt von der Aussicht auf das Fegefeuer. Der Reisende beschließt, statt wie geplant seinen Weg fortzusetzen, dem Portikus dieser Kirche aus dem 17. Jahrhundert größere Aufmerksamkeit zu widmen, was viel Zeit in Anspruch nimmt: Die gewundenen Säulen, die Pflanzenmotive, die geometrischen Formen ergeben ein Ganzes, das ihm in Erinnerung bleiben wird. Ebenfalls in Erinnerung bleibt leider ein Kachelbild, auf dem ein gewisser Trigo de Morais seinen Kindern gute Ratschläge gibt. Die Ratschläge sind nicht schlecht, aber die Idee selbst ist schlimm. Und wie wichtig nimmt sich der Mann, an einem öffentlichen Ort Dinge zu behandeln, die doch hinter verschlossene Türen gehören. Auf dieser Reise durch Portugal begegnet man anscheinend so ziemlich allem.
    Es regnet wieder. Auf dem Platz, den der Reisende erreicht, als er um die letzte Ecke biegt, ist niemand zu sehen. Aber beim Überqueren spürt er, dass man ihn durch die Fensterscheiben der Läden hindurch misstrauisch beobachtet. Als der Reisende weiterfährt, hat er das Gefühl, auf seinen Schultern alle Schuld von Vila Flor oder der ganzen Welt zu tragen. Wahrscheinlich ist es auch so.
    Rechter Hand in Richtung Norden führen auf- und absteigende Straßen nach Mirandela. Für den Reisenden nur eine Durchgangsstation, dennoch macht er sich bereits auf dem Weg nach Bragança Gedanken über die bisher nicht beachtete Tatsache, dass die Bögen der Brücke, die über den Rio Tua führt, alle verschieden sind, und ob diese Originalität noch von den Römern, den ursprünglichen Erbauern, stammt oder eine Verschönerung aus dem 16. Jahrhundert darstellt, als die Brücke wiederaufgebaut wurde. Es missfällt dem Reisenden zutiefst, die Gründe für eine so einfache Sache nicht zu kennen, dass nämlich eine Brücke zwanzig Bögen hat, von denen keiner dem anderen gleicht. Aber er wird sich damit abfinden müssen: Wie sähe es auch aus, wenn er die stummen Steine danach fragte, während das Wasser unter ihnen hindurchrauscht.
    In dieser Gegend gibt es Ortschaften, die man »verschönerte Dörfer« nennt. Es sind dies Vilaverdinho, Aldeia do Couço und Romeu. Aufgrund der
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