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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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noch …«
    Vater tobte weiter. Ich hörte nicht länger zu, sondern vernahm seine Stimme nur noch als wortloses Summen, als ob eine Hornisse dicht neben meinem Ohr schweben würde. Alles, woran ich denken konnte, war:
Aber wie kann ein winziges Samenkorn unsterblich sein, wenn Mama nicht überlebt hat?
    Ich höre jemanden an der Tür … Das muss Vater sein, der endlich zurückgekehrt ist …

Kapitel 3
    17 . März
    Heute ist es wärmer, aber es weht ein beharrlicher Wind aus dem Osten und bringt uns das schwache Aroma des Meeres.
    Die Sonne lugte nach dem Mittagessen kurz zwischen den Wolken hindurch. Dann wurde der Himmel wieder grau.
    Ich habe das Frühstück für Vater bereitet, der wenig aß und noch weniger sprach. Nach der Mahlzeit ging er geradewegs in sein Arbeitszimmer und verschloss die Tür. Und so bin ich wieder allein.
    Ich habe das Einweichwasser der Belladonna-Samen gewechselt – nur noch einen Tag, bis sie eingepflanzt werden können!
    Vater hat mir immer noch nicht gesagt, wo er war.
    E rst beschäftige ich mich mit meiner Arbeit. Dann beschließe ich, etwas zu zeichnen, aber ich finde nichts Interessantes, was das Skizzieren lohnt – bloß einen Kessel, einen Stuhl oder ein Wollknäuel.
    Nach dem Mittagessen halte ich es nicht mehr aus. Im Kamin glimmen noch immer die Scheite, und so entfache ich rasch das Feuer neu und setze einen Kessel mit Wasser auf, um Tee zu kochen. Sobald der Tee fertig ist, decke ich ein Tablett ein und gehe damit zu Vaters Arbeitszimmer.
    Bevor ich klopfe, schaue ich durch das Schlüsselloch. Was ich sehe, weckt nur noch mehr Fragen. Vater geht im Zimmer auf und ab und murmelt vor sich hin, reißt dicke Folianten aus den Regalen und schmettert sie wieder zurück an ihren Platz. Das schwere, ledergebundene Buch, in dem seine geheimen Rezepte verzeichnet sind und das er gewöhnlich unter Verschluss hält, liegt aufgeschlagen auf seinem Sekretär. Hin und wieder tritt er heran und blättert durch die Seiten, ganz offensichtlich auf der Suche nach etwas.
    Ich hole tief Atem, um mich zu wappnen, und klopfe dann an die mächtige Holztür.
    »Vater? Ich habe dir Tee gekocht.«
    Stille. Dann:
    »Ich habe nicht um Tee gebeten, Jessamine.«
    »Ich möchte mit dir reden.«
    Ein Knall ertönt, wie ein dickes Buch, das zugeschlagen wird. Dann ein weiterer Knall: die Schublade. Das Klicken des Schlosses. Vater öffnet die Tür, den kleinen Schlüssel noch immer in der Hand.
    »Dann rede. Ich bin sehr beschäftigt. Schau dir nur meinen Schreibtisch an; der Anblick sagt mehr als tausend Worte.« Er blickt auf das Tablett. »Was für ein Tee ist es?«
    »Zitronenmelisse. Aus den Blättern vom letzten Sommer.« Ich hebe das Tablett leicht an, so dass ihm der Duft in die Nase zieht.
    »Zitronenmelisse«, wiederholt er, während ich an ihm vorbeigehe und das Tablett auf seinem Sekretär abstelle. Jahrhundertelang haben eifrige Schreiberlinge an diesem Tisch gearbeitet, und seine Oberfläche ist pockennarbig und abgewetzt. »Ein so einfaches, unschuldiges Getränk. Zubereitet von deinen liebreizenden Händen.«
    »Hier, bitte.« Ich reiche ihm eine Tasse. Wasserdampf, geschwängert mit Zitronenaroma, steigt zwischen uns empor. Als Vater einen Schluck trinkt, nehme ich all meinen Mut zusammen. »Wo warst du?«
    »Das ist doch offensichtlich: In meinem Arbeitszimmer. Ich bin schon den ganzen Tag hier.«
    »Ich meine gestern. Und vorgestern. Und an dem Tag davor.«
    Er wendet sich ab. »Ich war dort, wo meine Dienste vonnöten waren. Mehr musst du nicht wissen.«
    »Das ist keine Antwort.« Auch ich kann störrisch sein – immerhin bin ich die Tochter meines Vaters. »Du hast mich drei volle Tage allein gelassen. Es ist doch wohl nur recht und billig, dass ich den Grund dafür erfahre.«
    Anfangs schaut er wütend drein. Dann wird seine Miene weich.
    »Es tut mir leid, wenn du dir Sorgen gemacht hast, Jessamine. Ich wurde zu einem dringenden medizinischen Problem gerufen. Es verlangte meine volle Aufmerksamkeit. Wenn du mich gefragt hättest, wie viele Tage ich fort war, hätte ich es dir nicht sagen können.«
    »Wohin wurdest du gerufen?«
    »Ich war in London.«
    »In London! Warum? Und weshalb hast du mich nicht mitgenommen?«
    Vater hebt die Hände, um meinen Redefluss aufzuhalten. »Ich war an Orten, an die du dich hoffentlich nie verirren wirst, und habe Dinge gesehen, von denen ich bete, dass du sie nie zu Gesicht bekommst. Ich war in London. Mehr will ich nicht sagen. Und
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