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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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jetzt musst du mich entschuldigen; ich muss mit meiner Arbeit fortfahren.« Er wendet sich ab und will zu seinem Sessel gehen, bleibt aber stehen. »Wie geht es mit den Gärten voran, Jessamine? Kümmerst du dich auch gut um sie?«
    »Aber natürlich. Ich habe alle Beete umgegraben und Salat und Rettich gepflanzt und …«
    »Und die Belladonna-Samen?«, unterbricht er mich.
    »Ich habe das Wasser jeden Tag gewechselt, so wie du es mir gezeigt hast. Morgen können sie eingesät werden.« Aus einem Impuls heraus füge ich hinzu: »Darf ich sie einpflanzen? Ich habe bisher gut für sie gesorgt.«
    »Nein. Ich werde es tun.«
    »Aber Vater, warum nicht?«
    »Du hast schon zu viel getan.«
    »Samen einweichen? Ich habe nichts getan! Wie sehr ich wünschte, du würdest mir erlauben, den Apothekergarten zu betreten! Ich könnte dir bei deiner Forschung helfen, bei deinen Heilmitteln …«
    »Nein! Das darfst du nicht! Schwöre es mir, Jessamine. Auch wenn ich nicht zu Hause bin – und ich werde Hulne Abbey möglicherweise bald wieder verlassen müssen –, schwöre, dass du dich von dort fernhalten wirst.« Vater kommt auf mich zu, zwingt mich, rückwärts zu gehen, bis ich wieder im Türrahmen stehe.
    »Du musst mich nicht schwören lassen. Das Tor ist verschlossen, weißt du nicht mehr?« Meine Stimme klingt weinerlich und sarkastisch; ich kann es nicht ändern. »Denn ich bin ja bloß ein dummes Kind, dem man nicht vertrauen kann, und das nicht genug Verstand hat, um sich vor Giftpflanzen in Acht zu nehmen. Das denkst du doch, nicht wahr? Aber du irrst dich, Vater. Ich bin kein Kind mehr.«
    »Du bist ein Kind«, sagt mein Vater tonlos, »bis ich dir sage, dass du es nicht mehr bist. Jetzt lass mich allein. Wir sehen uns beim Abendessen.«
    Er tritt zurück und drückt die Holztür vor meiner Nase ins Schloss.
    ***
    Zur Pforte des alten Steinhauses hinaus, über den Hof, an den Ruinen und der Außenmauer vorbei, zu dem Pfad, zur Kreuzung, hinaus in die Welt. Ich gehe schnell, bis mein Atem fliegt und mein Herz hämmert.
    Vielleicht kehre ich nicht um. Nein – ich werde
ganz gewiss
nicht umkehren. Wenn Vater drei Tage lang verschwinden kann, kann ich es auch. Drei Tage, drei Jahre, drei Leben.
    Du bist ein Kind, bis ich dir sage, dass du es nicht mehr bist.
    Bin ich das wirklich? Ein Kind würde von zu Hause weglaufen, wie ich es tue, ohne Ziel, nur von dem Wunsch beseelt, von dir wegzukommen – ohne Geld und ohne Proviant, nur mit dem Schal um den Kopf als Schutz.
    Wenn ich Hunger habe, kann ich mich von Wurzeln und Beeren ernähren. Vielleicht werde ich dort draußen, in der weiten, wilden, ungezähmten Welt all die verbotenen Früchte aufspüren, die du vor mir verbirgst. Vielleicht wachsen dort in den Wäldern unbekannte Geheimnisse, köstliche und gefährliche Gifte, von denen nicht einmal du etwas weißt!
    Dergestalt drehen sich meine zornigen und gekränkten Gedanken im Kreis, immer rundherum, und lassen mich dabei jegliches Zeitgefühl verlieren. Bin ich eine Meile vom Haus entfernt? Fünf Meilen? Als der Pfad sich hügelabwärts neigt, fange ich an zu rennen und breite die Arme aus, wie Segel, die den Wind einfangen wollen. Wenn mich nur die Luftströmung anheben und davontragen würde! Wie herrlich wäre es, auf diesem Wind dahinzugleiten, wie das Schirmchen einer Pusteblume. Wie viel leichter wäre es, schwerelos durch die Luft zu schweben, anstatt mit – schon wieder zu eng gewordenen – klobigen Stiefeln über das Land zu stapfen und noch dazu das Gewicht der langen Röcke und Unterröcke mit sich schleppen zu müssen.
    Ich bleibe stehen, um zu Atem zu kommen und meine herumwirbelnden Gedanken zu ordnen. Aber sie purzeln übereinander, buhlen um Gehör, wie unzählige Stimmen in einem schreienden Mob. Meine Haare haben sich gelöst und kleben in meinem Gesicht. Der Saum meines Rocks ist schwer von Schlamm, und meine Ärmel sind feucht von den Tränen, die ich damit abgewischt habe, seit ich aus dem Haus gestürzt bin. Ich habe nicht daran gedacht, Wasser mitzunehmen – ich habe überhaupt nicht nachgedacht, als ich in einem Anfall von glühendem Zorn weggelaufen bin – und jetzt ist meine Kehle rau und wund.
    Es geschähe Vater recht, wenn ich meinen Durst ausgerechnet an jenem Weiher stillen würde, in den ich das Einweichwasser der Belladonna-Samen geschüttet habe
, denke ich bitter
. Soll er mich doch tot unter dem Stechginster finden, die Arme um die Knochen jener weichen, orange
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