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Die Poggenpuhls

Die Poggenpuhls

Titel: Die Poggenpuhls
Autoren: Theodor Fontane
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was habt ihr?«
    »Eine Ente.«
    » Kapital.«
    »Aber sie hängt noch oben am Bodenfenster und ist auch noch alles dran und drin. Also eine Sache von zwei Stunden...«
    »Etwas lange.«
    »... Doch ich glaube, ich weiß Rat. Wir nehmen die Leber heraus, und in einer Viertelstunde hast du sie gebraten auf dem Teller. Willst du sie mit Äpfel oder Zwiebel?«
    »Mit beiden. Nur nichts ablehnen, wenn es der Anstand nicht absolut erfordert.«
    »Du kennst also doch Fälle«, sagte Therese.
    »Natürlich kenn ich Fälle, natürlich. Aber nun sage mir, liebe Alte, wie geht es dir eigentlich? Immer noch Schmerzen hierherum?«
    »Ja, Leo, jede Nacht.«
    »Weiß der Himmel, daß die Doktors auch gar nichts können. Sieh hier meinen Zeigefinger, neulich umgeknickt, das heißt, 's ist schon ein Vierteljahr, und immer dieselbe Schwäche. Vielleicht muß ich den Abschied nehmen.«
    »Ach, rede doch nicht so«, unterbrach Therese. »Die Poggenpuhls nehmen nicht den Abschied.«
    »Dann kriegen sie ihn.«
    »Sie kriegen ihn auch nicht. Der da« (und sie wies auf den »Hochkircher«) »ist unvergessen und der Sohrsche auch und Papa auch. Der Kaiser weiß, was er an uns hat.«
    »Ja, Therese, was hat er an uns?«
    »Er hat unsre Gesinnung und die Gewißheit der Treue bis auf den letzten Blutstropfen.«
    »Nun ja, ja, das hat er... Aber sage, Mutter, hast du denn schon böten lassen?«
    » Böten?«
    »Ja, böten. Böten ist pusten und besprechen oder so was wie mit Sympathie. Das hilft immer. Wir haben da eine alte Pohlsche, sowie die lospustet, ist es weg... Apropos, ist denn noch Weihnachtsmarkt?«
    »Ich glaube, er ist noch oder wenigstens ein bißchen.«
    »Ein paar Buden werden ja wohl noch stehen, und da müssen wir hin, Kinder. ›Herr Jraf,
einen
Dreier‹, so was Klassisches will ich mal wieder hören. Und dann gehen wir zu Helms und trinken Grog oder Schokolade mit Schlagsahne und dann in die Reichshallen.«
    »Oh, das ist ein glücklicher Einfall«, sagte Manon. »Nicht wahr, Sophie? Du bist so still; sprich doch auch... Für Therese wird es wohl nicht passen, sie wird die Reichshallen nicht vornehm genug finden. Aber zwei Schwestern ist auch genug, und ich freue mich herzlich. Nur mußt du's so einrichten, daß wir etwa um neun bei Bartensteins sind oder doch nicht viel später. Ja, Leo, bis in die Voßstraße mußt du uns dann bringen.«
    »Gern. Aber wozu? Was ist denn da los?«
    »Polterabendprobe. Seraphine Schweriner, eine Cousine von Flora, verheiratet sich in vierzehn Tagen, und da haben wir seit Weihnachten immer Proben. Ich spiele mit, sogar zweimal, erst Quirlmädchen, dann Slowake mit Mausefallen. Ich soll reizend aussehen.«
    »Natürlich.«
    »Und Sophie hat ein Transparent gemalt und den Prolog gedichtet. Aber sie will ihn nicht sprechen.«
    »Das mußt du dann am Ende auch noch.«
    »Vielleicht; aber jedenfalls nicht gern. Prolog ist immer zu langweilig. Jeder ist immer froh, wenn es damit vorbei ist. Aber ob ja oder nein, davon sprechen wir unterwegs, vorausgesetzt, daß sich unterwegs überhaupt ein Gespräch führen läßt. Denn man muß jetzt sehr aufpassen: es ist abends immer so neblig. Überhaupt, Berliner Luft...«
    »Ach, rede doch nicht so was, Manon. Berlin hat die feinste Luft von der Welt. Ich kann dir sagen, daß ich froh bin, mal wieder ein bißchen drin herumschnuppern zu können. Nebel; Nebel ist ganz egal, Nebel ist was Äußerliches, und alles Äußerliche bedeutet nichts. Innen steckt es, innen lebt die schaffende Gewalt, immer frisch, froh und frei; – ›fromm‹ schenk ich mir, verzeih, Therese... Gott, unser Nest da, das hat die reinste Luft, immer Ostwind und dergleichen, und wer nicht fest auf der Bost ist«, und er gab sich einen Schlag auf die Brust, »der hat eine Lungenentzündung weg, er weiß nicht wie. Also wir haben die reinste Luft, keine Frage. Und doch sag ich euch, immer stickig, immer eng, immer klein. Wenn der Oberst niest, hört es der Posten vorm Gewehr und präsentiert. Greulich. Wenn nicht das bißchen Jeu wäre und die paar Judenmädchen...«
    »Aber Leo...«
    »Oder die paar Christenmädchen; bloß die Jüdinnen sind hübscher.«
    »Ihr müßt aber doch geistige Beschäftigung haben?«
    »I bewahre. Dazu ist ja gar keine Zeit. Ich überschlage bloß dann und wann meine Schulden und rechne und rechne, wie ich wohl rauskomme. Das ist meine geistige Beschäftigung, ganz ernsthaft, beinahe schon wissenschaftlich.«
    »Gott, Leo«, sagte die Mutter und sah ihn
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