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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin
Autoren: Iny Lorentz
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auf. »Das ist noch nicht alles! Er will ein neues Testament aufsetzen, in dem er der Kirche eine große Summe vermacht, damit Messen für ihn gelesen werden, und er will sogar eine Kapelle zu Ehren des heiligenJakobus bauen lassen! Tillas Erbteil soll sich verdoppeln und er will ihre Ehe mit dem älteren Laux-Sohn festschreiben.«
    Zumindest das Letztere auszuplaudern war in Gürtlers Augen reine Dummheit, und er musste ein Lachen unterdrücken. Kurz überriss er die Probleme, die auf ihn und Otfried zukommen würden, wenn der alte Willinger seine Pläne in die Tat umsetzen konnte. Wenn Tilla tatsächlich Damian Laux heiratete, würde sehr viel Geld in andere Kassen fließen und ein Teil davon seine und Otfrieds Gegner stärken.
    »Die Pfaffen sind reich genug! Die brauchen das Geld deines Vaters nicht, denn es gibt genügend andere Narren, die ihnen wahre Schätze vor die Füße kippen. Mir aber reicht die Mitgift, die Ottilie bislang zugeschrieben worden ist. Wenn du ein einflussreicher Handelsmann bleiben willst, solltest du dich zu meinen Gunsten verwenden.«
    Otfried zuckte hilflos mit den Schultern. »Ich tue, was ich kann, aber Vater hört einfach nicht auf mich. Als ich ihm gestern deinen Antrag noch einmal schmackhaft machen wollte, hat er mich einen blutigen Narren genannt und dich einen verdammten Hundsfott! Geschimpft hat er, dass es beinahe die Nachbarn gehört haben, und nachdem er sich ausgetobt hatte, war er so schwach, dass ich dachte, jetzt geht es mit ihm zu Ende. Er hat die ganze Nacht unter heftigem Fieber gelitten, das auch heute noch nicht viel geringer geworden ist. Doch sobald er wieder klaren Sinnes ist, wird er sich an unseren Streit erinnern und seinen Ärger an mir auslassen. Seine Bemerkungen von heute Morgen deuten schon darauf hin. Am liebsten hätte er ja gleich den Ratsschreiber holen lassen, doch der Arzt hat es ihm verboten, weil es seinem Zustand abträglich sei. Der Quacksalber hat aber nicht verhindert, dass der alte Laux ans Krankenbett meines Vaters gekommen ist. Für den Besuch war der Altein seinen Augen wohl gesund genug. Zum Glück kommen die anderen Ratsmitglieder nicht in unser Haus, weil sie Angst haben, das Fieber könnte auch sie angreifen.«
    Gürtler hörte Otfried lächelnd zu und lenkte das Gespräch so geschickt, dass er alles erfuhr, was dieser von seinem Vater und dessen bestem Freund erlauscht hatte.
    »Eine Pilgerschaft nach Santiago de Compostela? Das ist wahrlich nicht der nächste Weg. Aber ich weiß schon, warum Laux deinem Vater das eingeredet hat. Er will dich loswerden, damit du den dir zustehenden Platz im Großen Rat vorerst nicht einnehmen kannst. Du weißt ja, wie wichtig jede Stimme für uns ist. Zwar steigt die Zahl meiner Freunde, doch wir sind immer noch in der Minderheit. Wenn aber der Herr des Hauses Willinger auf unsere Seite umschwenkt, wird dies einige noch unentschlossene Räte dazu bringen, sich uns anzuschließen. Hätten wir nur an einem einzigen Tag die Mehrheit, könnten wir den Rest überstimmen und all unsere Pläne Wirklichkeit werden lassen.«
    Otfried nickte zunächst, fasste den Älteren aber dann mit einer verzweifelten Geste an der Schulter. »Wäre es nicht an der Zeit, mich vollständig einzuweihen, mein Freund? Ich muss doch wissen, weshalb ich dir helfen soll. Ohne Aussicht auf Lohn nimmt nicht einmal ein Tagelöhner sein Werkzeug zur Hand.« Gürtler sah ihn so durchdringend an, als wolle er hinter Otfrieds Stirn lesen. »Da dir anscheinend unsere Freundschaft nicht genügt, werde ich es tun.«
    »Du hast selbst einmal gesagt, dass Geschäft und Freundschaft nichts miteinander zu tun haben und einander sogar schaden können.« Otfried genoss es, einmal Sieger in dem Wortgefecht mit dem erfahrenen Kaufmann geblieben zu sein, ohne zu ahnen, dass Gürtler ihn genau da hatte, wo er ihn haben wollte.
    »Du wirst alles erfahren. Aber dazu musst du den Bund, den wir anderen geschlossen haben, genau wie sie mit einem Eid besiegeln und den Pakt unterschreiben.«
    »Dazu bin ich bereit.« Otfried blickte Gürtler an wie ein Hund, der eben ein Lob erhalten hat. Gleichzeitig überschlugen sich seine Gedanken. Da der sonst für seine Härte bekannte Kaufherr sich bereit erklärt hatte, sich mit Tillas bislang festgesetzter Mitgift zu begnügen, musste er eine Ehe mit dem älteren Laux-Sohn mit allen Mitteln hintertreiben. Dazu aber war es notwendig, dass er – wie sein Freund es angedeutet hatte – das Regiment im Haus ergriff.
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