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Die Pilgerin

Titel: Die Pilgerin
Autoren: Iny Lorentz
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Ottilie! Es geziemt sich nicht, ohne eine Magd, welche den Anstand wahrt, mit einem jungen Burschen durch die Stadt zu schlendern. Erlaube, dass ich dich nach Hause begleite.« Ohne ihre Antwort abzuwarten, drängte er Sebastian zur Seite und ergriff ihre Hand.
    Der junge Laux bleckte die Zähne und zischte einen leisen Fluch, stellte aber mit einem gewissen Gefühl der Zufriedenheit fest, dass Tilla auch nicht glücklich über ihren neuen Begleiter war. Es handelte sich um einen hageren, relativ hochgewachsenen Mann mit scharf geschnittenen Gesichtszügen, der in einen wadenlangen braunen Rock aus gutem Tuch gekleidet war und darüber einen kuttenartigen grünen Mantel mit Hängeärmeln trug. Die Kleidung wirkte eher unscheinbar, doch der goldene Siegelring an seiner rechten Hand hatte gewiss mehr gekostet, als ein normaler Handwerker im Jahr verdiente. Veit Gürtler konnte es sich leisten, einen solchen Ring zu tragen, denn neben Willinger und Laux galt er als einer der reichsten Männer in der Stadt, und seine Bedeutung war in letzter Zeit noch gewachsen.
    Während der Ratsherr Sebastian in beleidigender Weise missachtete, ließ er Tilla nicht mehr los, sondern führte sie geschickt um einige besonders kotige Stellen herum, während Sebastian,der ihnen immer noch folgte, voll in den Dreck trat und einen entgegenkommenden Passanten bespritzte.
    »Kannst du nicht aufpassen, du Lümmel!«, fuhr dieser ihn an.
    »Die heutige Jugend ist auch nicht mehr so gut erzogen wie wir zu unserer Zeit!«, rief Gürtler dem Bürger zu und vergaß dabei ganz, dass er in Sebastians Alter als einer der größten Rüpel der Stadt gegolten hatte. Der Mann, der eben geschimpft hatte, war in dieser Hinsicht ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt. Das war Sebastian nicht bekannt, und daher entschuldigte er sich wortreich für den Schmutzfleck, zu dem er dem anderen verholfen hatte.
    »Tragt ihm etwas auf, das er für Euch erfüllen kann, Meister Kaifel, und vergebt ihm dann.« Gürtler ergriff die günstige Gelegenheit, Sebastian loszuwerden und ihm gleichzeitig noch eins auszuwischen. Ein anderer Bursche hätte sich wohl mit einem Fluch entfernt, doch Sebastian wusste, dass Kaifel zu den Handwerkern zählte, die über einen gewissen Einfluss in der Stadt verfügten, auch wenn sie nicht dem Hohen Rat angehörten. Aus diesem Grund durfte er ihn nicht verärgern.
    Kaifel nickte Gürtler freundlich zu und wandte sich dann mit strenger Miene an Sebastian. »Es gibt etwas, das du für mich tun kannst. Ich habe meinem Weib versprochen, vor der Abendmesse zu Hause zu sein, doch ich bin zum Ratsherrn Schrimpp gerufen worden, der eine Bestellung aufgeben will. Das wird wohl länger dauern. Wenn du so freundlich sein könntest, zu meinem Haus zu laufen und dies auszurichten, wäre ich dir sehr verbunden.«
    Es war ein Auftrag, den jeder Gassenjunge hätte ausführen können, aber einem solchen hätte Kaifel eine Münze zustecken oder ihn mit der Aussicht auf ein großes Stück Kuchen ködern müssen. Sebastian schwoll der Kamm, doch der Gedanke, Kaifel zu verärgern und Gürtler in die Arme zu treiben, brachte ihn dazu,den Mund zu halten. Schrimpp war einer der Ratsherren, die noch nicht genau wussten, ob sie weiterhin seinen Vater unterstützen oder sich auf die Seite seiner Gegner stellen sollten, und daher durfte in dessen Haus nicht schlecht über ihn geredet werden.
    »Welche Zeit soll ich Eurer Frau für Eure Heimkehr nennen?«, fragte er Kaifel höflich.
    Dieser hatte gerade überlegt, nach seinem Besuch bei Schrimpp noch einen Abstecher in die Krone zu machen, und hob bedauernd die Hände. »Das kann ich dir leider nicht sagen. Es gibt zwischen dem Ratsherrn und mir viel zu besprechen, denn es soll ein großer Auftrag werden.« Er lächelte Sebastian wohlwollend zu, verbeugte sich devot vor Gürtler und zog fröhlich pfeifend ab.
    »Du solltest nicht säumen, Meister Kaifels Auftrag auszuführen!« Gürtler ließ keinen Zweifel daran, dass er Sebastians Anwesenheit für überflüssig hielt. Ohne sich weiter um den Burschen zu kümmern, zog er Tilla mit sich.
    Sebastian starrte den beiden nach und ballte die Fäuste. »Elender Lumpenhund!« Nur mit Mühe unterdrückte er den Wunsch, Gürtler zu folgen und ihm zu sagen, dass er Tilla gefälligst in Ruhe zu lassen habe. Sein Bruder hätte es sicher getan, doch er biss die Zähne zusammen und stapfte in die entgegengesetzte Richtung, um den erzwungenen Auftrag auszuführen.

IV.
    Tilla passte die
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