Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin
Autoren: Martin Davies
Vom Netzwerk:
der Geruch des Nicht-Dazugehörens.
    Gabriella war nicht zu übersehen. Sie saß im warmen Lampenschein in einer Ecke, filmreif umrahmt von gekräuseltem Rauch. Sie war noch so schlank wie früher und geradezu makellos gepflegt. Sie trug ein enges schwarzes Kleid im Stil der Fünfzigerjahre, das an ihr jedoch alles andere als deplatziert wirkte. Mit derselben aufreizenden Anmut, mit der sie in ein Taxi glitt, war sie in diese Epoche geschlüpft. Neben ihr, hinter dem Rauch, saß ein hoch gewachsener, blonder, gerade gebauter Mann Anfang fünfzig, eindeutig ein Skandinavier. Ein gut aussehender Mann. Er hatte sich Gabriella zugewandt, und während ich mich zögernd näherte, redete er eindringlich an einer Gruppe von Amerikanern vorbei, die vor dem Theaterbesuch noch einen Drink nahmen.
    Gabriella schaute auf, und ihr Blick fiel auf mich.
    »Hallo, Fitz«, sagte sie leise, als ich an ihren Tisch trat, und plötzlich ärgerte ich mich über sie, weil sie sich nicht verändert hatte, und über mich selbst, weil ich es bemerkte. Und darüber, dass mir irgendwo rechts ein Arm in feinem Tuch die Hand entgegenstreckte.
    »Fitz, das ist Karl Anderson«, sagte sie, als wäre damit alles gut.
    Ich nickte ihm eher desinteressiert zu und sah wieder Gabriella an. Sie war so erschreckend vertraut, dass mir die Luft wegblieb.
    »Vielleicht sollten wir alle Platz nehmen«, sagte Anderson ruhig. »Mr. Fitzgerald möchte sicher einen Drink.«
    Er hatte Recht. Ein Drink war genau das, was ich jetzt brauchte, und so setzte ich mich an den kleinen runden Tisch und beteiligte mich an einer schrecklich wohl erzogenen Unterhaltung, die jede Peinlichkeit vorsichtig umschiffte. Der Ober brachte mir ein Bier, und es wurden weitere Getränke bestellt. Gabriella saß so dicht neben mir, dass meine Hand, hätte ich sie vom Tisch rutschen lassen, ohne weiteres auf ihre hätte fallen können. Die Drinks kamen fast sofort - Anderson trank ebenso schnell wie ich und ließ immer gleich nachschenken. Ich beobachtete ihn, während Gabriella von den Vorträgen erzählte, die sie in Edinburgh und München halten wollte. Ein großer, wohl proportionierter Mann, sieben oder acht Jahre älter als ich, was man ihm aber nicht ansah - ein Querdenker, ein Charmeur, eine Koryphäe in einer verstaubten Disziplin.
    Gabriella wirkte winzig neben ihm, wie ein Vögelchen. Es schien, als sei sie reibungslos durch die Jahre geglitten, in ungebrochener Frische und Lebendigkeit. Sie musste zehn Jahre jünger sein als der große Mann an ihrer Seite, und doch passten sie zusammen. Sie waren ein schönes Paar.
    »Und was machen Sie zurzeit so, Mr. Fitzgerald? Dass Sie sich aus der Feldforschung zurückgezogen haben, ist ein großer Verlust für uns alle.« Er war Norweger, sprach aber ein fast akzentfreies, präzise artikuliertes Englisch.
    »Oh, ich habe genug zu tun. Ich lehre hauptsächlich. ›Naturkunde im historischen Kontext‹ - Griechen, Römer, frühe Naturforscher, die Darwin-Kontroverse. Solche Dinge. Eine Pflichtveranstaltung - die Studenten müssen erscheinen, auch wenn ich nicht gut bin.«
    »Und sind Sie gut?«
    »Na, jedenfalls bin ich umstritten, was das Zweitbeste ist. Das Thema meiner ersten Vorlesung lautet ›Der Präparator als Held‹. Die macht mir immer viel Spaß.«
    In diesem Moment wurde Anderson vom Ober abgelenkt, und Gabriella fing meinen Blick ein.
    »Ich bin froh, dass du gekommen bist, Fitz«, sagte sie, und es klang, als meinte sie es ernst. Ich selbst enthielt mich eines Urteils. Erst als der dritte Drink zu wirken begann, schnitt Anderson das Thema an, auf das wir alle gewartet hatten.
    »Sie fragen sich sicher, warum ich hier bin, Mr. Fitzgerald, und dieses Treffen alter Freunde störe.«
    Ich gab ihm mit hochgezogener Braue zu verstehen, dass ich seine Worte zur Kenntnis genommen hatte, erwiderte aber nichts, und so fuhr er fort:
    »Vor ein paar Jahren hatte ich das Glück, einen Vortrag von Gabriella in Prag zu hören, und seitdem sind wir Freunde. Von ihr weiß ich, dass Sie auf einem Gebiet, für das ich mich interessiere, über ein umfangreiches Wissen verfügen. Und ich kenne natürlich die Arbeit Ihres Großvaters.«
    Er hielt inne und stellte sein Glas sorgsam auf den Untersetzer. Ich wartete auf die abgedroschene Bemerkung, die üblicherweise auf die Erwähnung meines Großvaters folgte, aber sie kam nicht. Stattdessen beugte sich Anderson vor und sagte mit gesenkter Stimme:
    »Ich bin Sammler, Mr. Fitzgerald. Und ich bin hier,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher