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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens
Autoren: Ildefonso Falcones
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schmerzenden Rücken, als er aber bemerkte, dass Rafaela ihn aus dem Augenwinkel beobachtete, beherrschte er sich.
    »Ruh dich ein wenig aus!«, riet ihm seine Gattin zum wiederholten Male und bückte sich erneut nach ein paar Oliven, die sie anschließend in einen großen Korb fallen ließ.
    Hernando schüttelte den Kopf, nahm sich dann aber doch Zeit, seine Kinder zu betrachten. Amin – für die Dorfbewohner Juan – kletterte geschickt in den Zweigen eines Ölbaums herum, um die Oliven zu pflücken, die noch am Baum hingen. Genauso hatte er damals als Junge selbst die Früchte des alten, krummen Ölbaumes geerntet, der auf einem der Terrassenfelder bei Juviles stand. Die anderen Kinder lasen derweil die reifen Oliven vom Boden auf, die beim Rütteln mit dem Stab herabgefallen waren. Hernando schob den Stab wieder zwischen die Zweige mit den verbliebenen Früchten. Rafaela beobachtete ihn und seufzte. Sie kannte ihren Mann.
    »Sturkopf!«
    Hernando lächelte insgeheim und stieß noch einmal in den Baum. Ja, das war er. Aber wie auf die meisten Familien der Gegend warteten auch auf sie noch Dutzende Bäume, die in langen Reihen auf einer schier unendlichen Fläche gepflanzt waren. Und je früher sie die Früchte zur Ölmühle brachten, desto besseres Öl konnte daraus gewonnen werden und desto höher fiel ihr Tageslohn aus.
    In der Abenddämmerung kehrten sie erschöpft nach Hause zurück, in ein winziges, baufälliges Gebäude mit zwei Stockwerken, das mit fünf weiteren ebenso windschiefen Häuschen diesen kleinen, abgelegenen Weiler weit weg von Campotéjar bildete.
    Im Jahr 1610 war der Erzbischof Pedro de Castro, jener eifrige Hüter der Bleibücher von Sacromonte, vom Bischofsstuhl in Granada nach Sevilla gewechselt. Aber selbst als Erzbischof von Sevilla gab er einen beträchtlichen Teil seines Privatvermögens für die Übersetzung der restlichen Bleiplatten sowie für den Bau der Stiftskirche über den Höhlen aus. Zudem war er ein glühender Verfechter der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis, und die Makellosigkeit der Heiligen Jungfrau wurde zum Banner seines Erzbistums.
    Seine Vorstellungen und Lehren verbreiteten sich von Sevilla aus über ganz Spanien und erreichten sogar so entlegene und unbedeutende Pfarreien wie die von Campotéjar, wo Hernando und seine Familie an Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst besuchten, bei dem sie sich stets frömmer gaben als ihre christlichen Nachbarn.
    Hernando und Rafaela lauschten den leidenschaftlichen Predigten über Maria – jene Maryam, die der Prophet als die hervorragendste Frau bezeichnet hatte und der sowohl der Koran als auch die Sunna genau die gleichen Tugenden zuerkannten, die nun auch in den christlichen Kirchen gepriesen wurden. Hernando und Rafaela waren durch diese Gestalt in ihrem Glauben miteinander verbunden. Er mit Hochachtung, sie voll Ehrfurcht. Die Jungfrau Maria bildete das Bindeglied ihrer Religionen. Wie sonst, hatte Rafaela in ihrer nächtlichen Zweisamkeit einmal angemerkt, hätten ein Moriske und eine Christin gemeinsam aus Sevilla fliehen können? Wie, wenn nicht durch Marias Fürsprache, sollte Gott der Ehe zwischen einem Anhänger des Propheten und einer frommen Christin Glück schenken?
    In diesen Tagen der Ruhe kam es immer wieder vor, dass Hernando ein kräftiges oder edles Pferd sah, und Rafaela war erschüttert, wenn sie feststellen musste, wie konzentriert ihr Mann das Tier jedes Mal musterte. Würde es zur Zucht taugen? In solchen Momenten fragte sie sich, ob die Entscheidung, mit ihm zu fliehen, wirklich richtig gewesen war oder ob sie ihn damit nur zu einem ebenso nutzlosen wie armseligen Leben verdammt hatte.
    Doch gerade an diesen Tagen der erzwungenen Ruhe bewies Hernando ihr auch, dass sie sich damals richtig entschieden hatte: Er spielte und scherzte mit Musa und Salma und küsste und herzte die Kleinen liebevoll. Draußen auf den Feldern versuchte er, ihnen heim lich Ziffern und die Grundrechenarten beizubringen. Doch die Kinder hatten schon bald keine Lust mehr auf den ohnehin zwecklosen Unterricht und wollten lieber Miguel mit seinen Geschichten zuhören. In der nächtlichen Zweisamkeit unterhielten sich die Eheleute über ihre Kinder, über die Zukunft von Amin und Laila, die nun bald erwachsen waren, über die Landarbeit, über das Leben an sich und über vieles mehr, bevor sie in den winzigen Alkoven gingen und sich zärtlich liebten.
    An einem der harten Arbeitstage waren sie schon im Morgengrauen
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