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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens
Autoren: Ildefonso Falcones
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Angelegenheiten in seinem Lehnsgebiet befasst war. Das andere war ein Empfehlungsschreiben für den Pfarrer von Campotéjar, einen Freund des Adligen. Darin pries er die Frömmigkeit der Neuankömmlinge, die er zudem als seine ergebensten Diener bezeichnete, und garantierte deren Gottesfürchtigkeit. Miguel wurde in den Dokumenten als ein weiterer Familienangehöriger geführt. Wenn sie keine Fehler begingen, würde niemand sie behelligen, versicherte Don Pedro.
    »Was ist in der Zwischenzeit mit den Bleibüchern geschehen?«, fragte Hernando Don Pedro unter vier Augen, ehe der Adlige wieder aufsaß, um in die Stadt zurückzureiten.
    »Der Erzbischof gibt die Bücher immer noch nicht aus der Hand, und er greift nach wie vor persönlich in die Übersetzung ein. Dabei lässt er auch nicht den kleinsten Hinweis auf islamische Glaubensgrundsätze zu. Auf dem Sacromonte wird eine Stiftskirche gebaut, in der die Reliquien verehrt werden, außerdem noch ein Kolleg für religiöse und juristische Studien. Wir sind gescheitert.«
    »Eines Tages wird …«, begann Hernando mit leiser Hoffnung in der Stimme.
    Don Pedro sah ihm in die Augen und schüttelte den Kopf.
    »Selbst wenn es uns gelingen würde und der Sultan oder ein anderer König der Araber das Barnabas-Evangelium bekanntmachen würde, in Spanien leben keine Muslime mehr. Es wäre bedeutungslos.«
    Hernando wollte widersprechen, doch er hielt sich zurück. War es für Don Pedro nicht mehr wichtig, dass die Wahrheit ans Licht kam, ganz unabhängig von den Morisken in Spanien? Immerhin waren die zum Christentum konvertierten muslimischen Adligen der Vertreibung entgangen. Ja, Don Pedro unterstützte ihn und seine Familie, aber glaubte er noch an den einzigen Gott?
    »Ich wünsche euch ein langes Leben«, sagte der Adlige zum Abschied. »Wenn ihr Schwierigkeiten habt, dann lasst es mich wissen.«
    Nach diesen Worten galoppierte er davon.

Epilog
    Es sind viele geblieben, vor allem dort, wo es Erlasse gibt und wo sie Hilfe erhalten …
    Der Graf von Salazar an den Herzog von Lerma,
im September 1612
    Campotéjar, 1612
    S eit jenem Gespräch mit Don Pedro waren zwei Jahre vergangen. Hernando hatte sich mit seiner Familie in dem Gehöft auf dem Lehen der Familie Granada Venega eingelebt, und sie standen als angebliche ehemalige Diener unter dem Schutz des Adligen.
    Hernando verfügte hier weder über Bücher, in denen er Zuflucht suchen konnte, noch über Papier und Tinte zum Schreiben. Und er besaß auch keine Pferde mehr. Das wenige Geld, mit dem sie ihr neues Leben bestritten, reichte nicht für derartige Anschaffungen, ganz abgesehen von der Tatsache, dass er sich der Kalligraphie ohnehin nicht widmen konnte. Das Zusammenleben der Familien, die diesen abgelegenen Weiler bewohnten, war so eng und überschaubar, dass den Nachbarn nichts entging: Sie hätten sicherlich bald Verdacht geschöpft. Die Haustüren standen immer offen, und die Frauen beteten gemeinsam den Rosenkranz, ihre raunenden Stimmen ergaben den typischen Klang des Ortes. Nur manchmal, wenn sie allein auf den Feldern waren, griff Hernando zu einem Stöckchen und schrieb arabische Buchstaben ins Erdreich, die Rafaela oder seine Kinder sofort mit den Füßen verwischten. Nur Muqla, der Junge mit den blauen Augen, der sich an seinen christlichen Namen Lázaro immer noch nicht ganz gewöhnt hatte, betrachtete diese Schriftzeichen genau. Er war auch der einzige seiner Söhne, dem Hernando Unterricht im muslimischen Glauben erteilte. Dabei musste er immerzu an den Koran denken, den er beim Mihrab der Mezquita von Córdoba versteckt hatte und den Muqla eines Tages an sich nehmen würde.
    Abgesehen davon, versuchte Hernando, Gespräche über religiöse Themen zu vermeiden. Die Leute waren immer noch misstrauisch, und es häuften sich Anzeigen gegen Morisken, denen es gelungen war, der Vertreibung zu entgehen. Gefangen genommene Morisken erwartete der Tod, die Versklavung, die Galeere oder die harte Arbeit in der Mine von Almadén. Hernando durfte kein Risiko eingehen!
    Die Unterrichtsstunden für seinen Sohn wollte er dennoch nicht aufgeben. Muqla war anders. Er hatte die gleiche Augenfarbe wie Hernando, das Erbe jenes Christen, der eine Muslimin entehrt hatte. Er trug das Symbol für jenes Unrecht in sich, das die Bewohner der Alpujarras dazu veranlasst hatte, zu den Waffen zu greifen.
    Hernando stöhnte. Er ließ den langen Stab auf die Erde sinken und hielt inne. Instinktiv führte er eine Hand an seinen
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