Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
Vom Netzwerk:
Reihe von ihnen wagte nicht nur, sondern verlor ihr Leben in dieser traurigen Gege-benheit.
    Ich habe einmal eine Liste zusammengestellt, ich meine, nach den Berufen und Tätigkeiten, in deren pflichttreuer Ausübung, so möchte ich es nennen, alle diese starben; aber es war für eine Privatperson unmöglich, zu einer genauen Aufstellung im einzelnen zu kommen. Ich erinnere mich nur, daß es sechzehn Geistliche waren, zwei Stadträte, fünf Ärzte, dreizehn Wundärzte, die innerhalb der City und der Stadtfreiheit vor Anfang September gestorben waren. Aber da dann ja wie gesagt die große Krise und der Höhepunkt der Pest einsetzte, kann die Liste nicht vollständig sein. Was untergeordnete Leute angeht, so glaube ich, es starben sechsundvierzig Konstabler und Gemeindediener in den beiden Pfarren Stepney und Whitechapel; aber dann konnte ich meine Liste nicht fortführen, denn als im September die Seuche uns mit ihrer rasenden Wut anfiel, verloren wir alle Übersicht. Man hätte ein Wochenregister veröffentlichen können und darauf schreiben: sieben-oder achttausend oder was man sonst wollte; es ist nur sicher, daß die Menschen haufenweise starben und haufenweise begraben wurden, das heißt ohne daß man sie zählte. Und wenn ich einigen Leuten glauben darf, die mehr auf dem laufenden waren und die Dinge besser kannten als ich – obwohl ich für einen, der nicht mehr zu tun hatte als ich, ziemlich herumkam –
    , ich sage, wenn ich ihnen glauben darf, wurden in den ersten 301

    drei Wochen des September nicht viel weniger als 20 000 in der Woche begraben. Wie sehr sie auch die Wahrheit dieser Angabe beteuern, ich ziehe es vor, bei den amtlichen Berichten zu bleiben; sieben- oder achttausend in der Woche sind genug, um all das zu bestätigen, was ich über die Schrecknisse der Zeit gesagt habe; und es ist sowohl für mich, den Schreiber, als auch für den Leser befriedigender, wenn ich sagen kann, alles sei mit Maß und innerhalb maßvoller Grenzen hier niedergelegt worden und nicht darüber hinaus.
    Aus all diesen Gründen, sage ich, hätte ich wünschen mögen, unsere Lebensführung hätte sich, nachdem wir uns erholt hatten, in der Erinnerung an die bestandene Notzeit mehr durch Nächstenliebe und Menschenfreundlichkeit ausgezeichnet und es hätte nicht so viel Selbstbewunderung gegeben, weil wir so tapfer dageblieben seien; als ob alle Menschen Feiglinge wären, die vor der Strafe Gottes fliehen! Und als ob die, die bleiben, nicht manchmal ihre Tapferkeit ihrer Unwissenheit verdanken oder einem Trotz gegen die Fügungen ihres Schöpfers! Denn das ist eine verbrecherische Art der Todesverach-tung, aber keine echte Tapferkeit.
    Ich kann nicht umhin, es hier festzuhalten, daß die Beamten, also die Konstabler, Gemeindediener, Bürgermeisters- und Sheriffs-Dienstleute wie auch die Gemeindepfarrer, deren Amt es war, sich der Armen anzunehmen, ihre Pflicht mit aller nur wünschenswerten Tapferkeit ausübten und vielleicht mit noch mehr, denn ihre Arbeit schloß noch mehr Gefahren ein, da sie unter den Armen zu verrichten war, die für die Infektion besonders anfällig waren und in die erbärmlichste Bedrängnis gerieten, wenn sie befallen wurden.
    So muß denn hinzugefügt werden, daß von ihnen eine große Anzahl starb; es war ja auch kaum anders möglich.
    Ich habe hier noch kein Wort über die Arzneien und Präparate gesagt, die wir gewöhnlich bei dieser schrecklichen Gelegenheit gebrauchten – ich meine uns, die wir häufig hinaus 302

    über die Straßen gingen, so wie ich es tat; hierüber wurde in den Büchern und Handzetteln unserer Quacksalber viel Gerede gemacht, wie ich es ja schon zur Genüge geschildert habe. Es mag jedoch noch hinzugefügt werden, daß das Kollegium der Ärzte täglich mehrere Rezepte veröffentlichte, die sie im Laufe ihrer Praxis erprobt hatten; aber das kann man ja gedruckt finden, und aus dem Grunde möchte ich nicht wieder davon sprechen.
    Etwas, was sich meiner Beobachtung aufdrängte, war das Schicksal eines Quacksalbers, der öffentlich kundgetan hatte, er besitze ein ausgezeichnetes Vorbeugungsmittel gegen die Pest, das man nur bei sich zu haben brauche, um nie infiziert zu werden oder in Ansteckungsgefahr zu kommen. Dieser Mann, von dem wir wohl mit Grund annehmen können, daß er nie sein Haus verließ, ohne etwas von seinem ausgezeichneten Vorbeugungsmittel mit sich in der Tasche zu führen, wurde dennoch von der Pest ergriffen und in zwei oder drei Tagen dahingerafft.
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher