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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323
Autoren: Elfriede Fuchs
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tröstend.
„Alaksandas Tod bedeutete das Ende für uns. Nicht nur für unsere Familie,
sondern für unser ganzes Volk, für unsere Welt. Alaksanda hat unser Reich
erobert, aber nicht er war es, der es zerstört hat. Hätte er länger gelebt,
hätte er etwas Neues geschaffen, eine Welt, in der auch wir eine Zukunft gehabt
hätten. Als er starb, war das unser Ende. Auch jetzt, ohne ihn, wird eine neue
Welt entstehen, aber wir werden keinen Anteil an ihr haben.“
    „Was wird aus Vahauka werden? Er darf nicht auch noch
sterben.“
    „Er ist in Sicherheit. Der Eunuch hat ihn in seinem Versteck
aufgespürt und zum Grab seiner Schwestern geführt. Der kleine Intrigant, wir
haben uns alle in ihm getäuscht. Er hat Vahauka zu Peukestas gebracht, und der
schickte ihn heimlich mit einer vertrauenswürdigen Eskorte nach Parsa. Der Sohn
meiner Schwester lebt in den Bergen dort. Einmal habe ich für ihn bei Alaksanda
um Gnade gebeten und dadurch sein Leben gerettet. Jetzt kann er diese
Dankesschuld abtragen. Er wird Vahauka bei sich aufnehmen.“
    Peukestas und Bagauva, Ilioneus und Stratokles und die
anderen Pagen – Vahauka war überzeugt gewesen, dass sein Schicksal niemanden
kümmerte, und nun hatten so viele Menschen ihm geholfen. Vielleicht gab ihm das
wieder Vertrauen in die Zukunft.
    „Jetzt kann ich in Frieden sterben“, fuhr Sissingambri fort.
„Denn ich weiß, dass auch du deinen Platz in der neuen Welt finden wirst. ‚Die
viel Glück hat‘ – du trägst deinen Namen zu Recht. Du wirst ein neues Leben
beginnen. Auch deine Mutter hatte diese Gewissheit, als sie starb, und dieses
Wissen spendete ihr Trost. Wohin wirst du gehen?“
    „Nach Mada, zu Atarepata und Parmusch.“
    „In den Osten. Vielleicht ist das die richtige Wahl für
dich.“
    Ja, vielleicht. Paruschjati erinnerte sich, wie
Nikobule sie gefragt hatte, ob sie sich noch als Perserin fühlte oder schon als
Griechin. Die Auslöschung ihrer Familie, die Flucht des Großkönigs, der
Untergang des Reiches – so viel war geschehen, was ihr wenig Grund gab, auf ihr
Volk stolz zu sein. Vielleicht, wurde ihr jetzt klar, hatte sie sich deshalb der
fremden Welt so weit geöffnet: weil sie sich zu ihrer eigenen nicht mehr
bekennen zu können glaubte. Erst das Gespräch mit Nikobule hatte ihr die Augen
geöffnet. Dennoch tat es ihr immer noch unsagbar weh, dass sie die
faszinierende Welt der Griechen nun für immer hinter sich lassen musste.
    Sissingambri hatte die Augen geschlossen. Ihr Gesicht schien
noch schemenhafter geworden zu sein, und ihr Atmen war kaum wahrnehmbar. Nach
einiger Zeit dachte Paruschjati, sie sei eingeschlafen. Sie ließ ihre Hände los
und wollte vorsichtig aufstehen. Doch dann öffnete die alte Frau noch einmal
die Augen.
    „Er hat mich stets wie seine eigene Mutter behandelt, und
für mich war er wie ein Sohn.“ Sie sprach von Alexander, erkannte Paruschjati.
„Ich hatte fast achtzig Brüder. Artakschatra ließ sie alle ermorden, als er den
Thron bestieg. Sieben Söhne habe ich geboren. Sie sind alle tot. Keiner war mir
geblieben außer einem.“ Ihre Rede wirkte zusammenhanglos, doch Paruschjati
erfasste instinktiv, wovon sie sprach, wenn auch nicht genau, worauf sie
hinauswollte. „Erinnerst du dich an die Schlacht beim Haus des Kamels? Wie
Mazdais Truppen die feindlichen Linien durchbrachen und bis zu unserem Lager
vorstießen?“
    Paruschjati erinnerte sich daran, als sei es erst gestern
gewesen. Die gefangenen Frauen hatten sich im Zelt der Königinmutter
zusammengedrängt und mit Bangen auf den Ausgang der Schlacht gewartet. Als
Mazdais Leute kamen, hatten sich die meisten bereit gemacht, ihnen zu folgen.
Nur nicht die Königinmutter. Sie war reglos sitzen geblieben und hatte
schweigend vor sich hingestarrt.“
    Sissingambri fuhr fort: „In meinem Innersten wusste ich,
dass die Schlacht verloren war. Dass mein Sohn geflohen war, zum zweiten Mal
geflohen war. Ich konnte ihm nicht mehr helfen, ich musste meine Familie retten
– meine Schwiegertochter und meine Enkelkinder und all die anderen Frauen und
Kinder in meiner Obhut. Ich wusste, bei Alaksanda waren sie in Sicherheit, doch
was würde aus ihnen werden, wenn sie unseren besiegten Truppen auf der Flucht folgten?
Unser Reich war untergegangen, aber unsere Töchter und Enkelinnen würden die
Mütter der neuen Herrscher sein. Sie waren die letzte Hoffnung unseres Volkes!
Immer wieder hatte Alaksanda mit mir über seine großen Pläne gesprochen, und
ich glaubte an sie.
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