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Die Perserinnen - Babylon 323

Die Perserinnen - Babylon 323

Titel: Die Perserinnen - Babylon 323
Autoren: Elfriede Fuchs
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Sein Blick wanderte zu Faiduma. „Wenn ich richtig verstanden habe, ist
die junge Dame hier Gambeias Cousine.“
    „Sie ist noch ein Kind, und die Sache ist gefährlich“, sagte
Paruschjati widerstrebend. Es gefiel ihr nicht, Faiduma allein gehen zu lassen.
    „Ihr wir nichts geschehen, sie wird bei Gambeia in
Sicherheit sein. Morgen früh bringen wir dich und deine Kammerfrau zu
Perdikkas’ Haus. Es dürfte euch nicht schwerfallen, euch in Gambeias Gefolge
einzuschmuggeln.“
    „Und Nikobule?“
    „Meine Leute begleiten sie morgen früh zur ‚Gehenden
Schlange‘.“
    „Ich bin einverstanden. Aber da ist noch eine Sache, die ich
vorher erledigen muss“, sagte Paruschjati. „Ich muss mich von der Königinmutter
verabschieden.“
    „Du willst noch einmal in den Neuen Palast? Das könnte
gefährlich werden.“
    „Ich kann nicht gehen, ohne sie noch einmal gesehen zu
haben.“
    „Also schön“, seufzte Seleukos. „Aber es muss noch heute
Abend sein. Morgen früh bleibt dazu keine Zeit.“
    Sie hatten die Hintertür gewählt, um möglichst wenig
Aufmerksamkeit zu erregen. Das war auch der Grund, warum Seleukos’ Männer keine
Rüstungen trugen, sondern sich als babylonische Lastenträger ausstaffiert
hatten, die Körbe mit Brot und Gemüse an die Küche lieferten. Paruschjati fand
ihre Verkleidung nicht besonders überzeugend, aber es musste reichen.
    In den Räumen der Königinmutter herrschte eine gedrückte
Atmosphäre. Die Hintertür war wie üblich von Eunuchen bewacht, doch drinnen
ließ sich niemand blicken, alles wirkte wie ausgestorben. Entweder hatte das
Personal auch hier die Flucht ergriffen oder sich in seine Quartiere
zurückgezogen.
    Eine der beiden alten Kammerfrauen trat aus einer Tür. „Da
bist du endlich! Meine Herrin erwartet dich, sie wusste, dass du kommen
würdest. Dass du auch diesmal überlebt hast. Sie hat Anweisung gegeben, dich
sofort zu ihr zu lassen, zu jeder Zeit, sogar in der Nacht.“
    Die Königinmutter lag reglos in ihrem Bett. Ihre schmale
Gestalt zeichnete sich kaum unter der Decke ab, schien fast schon aus dieser
Welt geschwunden zu sein. Die andere Dienerin hatte in der Nähe des Bettes
gewacht. Nun stand sie auf und verließ schweigend den Raum. Vorher stellte sie
einen Stuhl direkt an das Bett.
    Wie ihre ganze Gestalt schien auch Sissingambris Gesicht
dahinzuschwinden. Die Haut war verblichen wie altes Elfenbein, die Züge
ausgezehrt, ein heller Fleck im Licht der wenigen Lampen.
    „Ich wusste, dass du es schaffen würdest.“ Die alte Frau
öffnete die Augen. Sie waren überraschend klar. Auch ihre Stimme war deutlich,
wenn auch sehr leise. „Komm näher, Kind. Nein, nicht auf den Stuhl. Setz dich
nah zu mir.“
    Paruschjati ließ sich auf dem Bettrand nieder und ergriff
Sissingambris Hände. Sie fühlten sich trocken und leicht an, lagen kaum spürbar
in ihren eigenen. Eine dünne Schicht aus Luft oder etwas anderes,
Nichtstoffliches auf ihrer Haut schien zu verhindern, dass sie einander
wirklich berührten. Sissingambris Hände ruhten in Paruschjatis wie die eines
Geistes, und mit einem Mal wusste sie mit absoluter Gewissheit, dass die alte
Frau im Sterben lag. Sie hatte es schon vorher geahnt, nun brach die Wahrheit
mit schmerzlicher Klarheit über sie herein. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie
nicht eher bemerkt hatte, was vor sich ging.
    „Es wird nicht mehr lange dauern“, sagte Sissingambri, als
habe sie wieder einmal Paruschjatis Gedanken gelesen.
    „Wie lange hast du schon nichts mehr gegessen?“
    „Seit dem Tag, an dem der König starb. Jetzt, wo meine
Enkelinnen tot sind, trinke ich auch nichts mehr, also wird es von nun an
schneller gehen. Ich wollte nicht vor ihnen sterben. Ich habe versucht, es
ihnen auszureden, aber Statira wollte nicht auf mich hören. Drupati hat es
gewusst, sie hat den Tod gesucht. Von ihr weiß ich, dass du versucht hast, sie
zu retten. Dafür danke ich dir. Der Tod meiner Enkelinnen war nicht deine
Schuld. Das musste ich dir unbedingt noch sagen, bevor ich sterbe. Du darfst
dir niemals Vorwürfe deswegen machen.“ Einen winzigen Augenblick wurde der
Druck ihrer Hände spürbar, wie zur Bekräftigung des Gesagten.
    Paruschjati starrte auf die bleichen Hände der alten Frau herab.
Tränen stiegen in ihr hoch, hinter den Augen und im Inneren der Nase. Sie
bissen wie Säure. Ohne dass sie es verhindern konnte, brach ein verkrampftes
Schluchzen aus ihr hervor.
    „Weine nicht, Kind“, sagte die alte Königin
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