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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie
Autoren: Jens Weidner
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als Sie oder ich wollte er keinen Kredit aufnehmen, sondern die Bank überfallen. Durch einen Zufall wurde er noch an Ort und Stelle festgenommen.
    Ich arbeitete damals in einem privaten Gefängnis für Gewalttäter an der Ostküste der USA. Dort lernte ich Esteban kennen. Auch in der Haft hatte er seinen Charme nicht verloren. Er erklärte mir gelassen und zuversichtlich: »Jens, der Bankraub war nur ein Misserfolg in einer langen Kette von Erfolgen. Kein Drama.« Und selbstsicher fügte er hinzu: »Ich bin nicht kriminell. Ich habe es nur aus Liebe getan.«
    Esteban nahm während seiner Haft an einer Therapie teil. Seine Bewährungshelferin und ich sahen – desillusioniert, wie wir waren – seine Zukunft in der gewaltfreien Betrugsbranche. Doch er überraschte uns beide. Nach seiner Entlassung wechselte Esteban in den Vertrieb – und er wurde ein hervorragender Verkäufer. Sein Charme, seine Energie, seine Selbstsicherheit und seine Fähigkeit, Katastrophen gelassen und glaubwürdig umzudefinieren bei gleichzeitig unbedingtem Vertrauen in eine positive Entwicklung der Dinge – all das machte ihn zur geborenen Nachwuchskraft im Verkaufsbusiness.
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Sie sehen: Hinsichtlich der Softskills gibt es zwischen Business und Kriminalität die eine oder andere Überschneidung.
     
    Natürlich sollen Sie nun nicht von Kriminellen lernen. Und Sie sollten die nachfolgenden Seiten nicht als Aufforderung zu rücksichtslosem Verhalten missverstehen. Aber die kommenden Ausführungen können Ihnen helfen, Neutralisierungstechniken bei anderen zu erkennen und zu unterlaufen – damit Sie nicht am Ende als das naive Opfer dastehen.
    Am häufigsten anzutreffen sind diese vier Techniken:
die Leugnung von Verantwortung,
die Leugnung des Unrechts beziehungsweise des unfairen Handelns,
die Berufung auf höhere Instanzen,
die Abwertung des Opfers.

Die Leugnung der Verantwortung
    Das Ablehnen der Verantwortung funktioniert nach dem »Bil lard-Konzept «: Der Manager, der zum Beispiel eine harte Entscheidung durchsetzen muss, sieht sich als weiße Billardkugel, die von fremden Mächten angestoßen wird, daraufhin überall aneckt und schließlich den einen oder anderen versenkt. Der Manager ist in seiner Sicht kein selbstbestimmt Handelnder, sondern ein Getriebener.
    »Es ließ sich nicht vermeiden«, »Ich war gezwungen, das zu tun«, »Die Umstände ließen keine andere Entscheidung zu« lauten dementsprechend die Lieblingsfloskeln. Sie zeigen nicht nur, dass die Führungskraft ihre Hände in Unschuld wäscht, |195| sondern dass sie ebenso für Beschwerden und Anschuldigungen die falsche Adresse ist.
    Werden diese Führungskräfte mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert, gelingt es ihnen durchaus, glaubwürdig Mitgefühl zu vermitteln. Vielleicht ist es in manchen Fällen nicht einmal gespielt: weil nämlich die Führungskraft in der Tat an ihre Unschuld glaubt. Weil sie überzeugt ist, keinerlei Verantwortung an der Unternehmensentwicklung zu tragen. Deshalb tun ihr die Verlierer der Entscheidung durchaus leid.
    Mitunter sieht sich der Manager sogar als Retter in der Not: »Ohne mich wäre das hier schon alles viel früher den Bach runtergegangen.«
     
    »Ich wurde zu spät informiert, um das Ruder noch herumreißen zu können«, weist ein Geschäftsführer der Elektronikbranche jede Verantwortung an der katastrophalen Fehlentwicklung des Unternehmens von sich. Er fügt hinzu: »Deshalb lasse ich die Freisetzung unseres Leiters der Kommunikation gerade prüfen.« Elegant lässt er andere Köpfe rollen.
    Der Begriff des Freisetzens gefällt dem Manager übrigens sehr gut, denn der klingt nach Freiheit und neuen Herausforderungen. »Kündi
gung«, das ist ihm zu depressiv. »Freisetzen – da schwingen neue Chancen mit. Freisetzen heißt, dem anderen neue Perspektiven und Möglichkeiten zu eröffnen.« Ein beruhigender Gedanke – und eine geradezu klassische »terminologische Konfliktlösung«: Sie verleiht dem existenziell bedrohlichen Arbeitsplatzverlust einen hoffnungsvollen Anstrich.
     
    Mithilfe der Zurückweisung der Verantwortung lassen sich auch Preisvorstellungen ohne Schuldgefühle durchdrücken, obwohl man weiß, dass dies den Vertragspartner in den Ruin treiben kann. Zulieferfirmen der Autoindustrie können ein Lied davon singen. Manager der Autobranche hingegen rechtfertigen ihre Verhandlungshärte mit dem Hinweis: »So läuft |196| das überall in Europa. Wenn wir mit der Konkurrenz mithalten wollen, können
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