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Die Peperoni-Strategie

Die Peperoni-Strategie

Titel: Die Peperoni-Strategie
Autoren: Jens Weidner
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lauf!« Gleichzeitig greift er nach einem dicken Holzknüppel, gibt
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ihr beim Laufen Rückendeckung und ist gewaltbereit, den vermeintlichen Angreifer niederzuschlagen – aber da ist gar nichts …
    Die Seine fließt, die Sonne geht langsam unter, und es kommt kein Serienmörder. Alles Einbildung, aber eine Feindseligkeitswahrnehmung, die ihn in absolute Kampfbereitschaft versetzte! (Gut, das nicht zufällig ein Jogger des Weges kam – der hätte die Prügel meines Studenten wohl kaum nachvollziehen können …)
     
    Der renommierte Psychologe Friedrich Dorsch geht in seinem naturwissenschaftlich-psychologischen Wörterbuch auf diese individuellen Reaktionen ein, wenn er von (aggressivem) Stress spricht: Im organischen Sinne sei das jede Belastung, »die als solche erlebt wird«, abhängig davon, ob man etwa eine verrohte oder hypersensible Psyche aufweist. So irrational die Reaktion des Studenten im Nachhinein auch sein mag, sie weist uns auf den zentralen Aspekt des Aggressionsmechanismus in der Psyche hin, nämlich den Schutz. Wann immer sich die Nackenhaare sträuben, Furcht in uns hochkriecht, die Anspannung und damit auch die Aggressionsbereitschaft steigt, dann sollten wir diesem Frühwarn-System folgen: Es warnt uns vor möglichem drohenden Ärger, dem wir jetzt noch durch Flucht oder Gegenwehr gezielt begegnen können.
    Meine Empfehlung: Folgen Sie diesem seismografischen Gespür lieber einmal zu viel!

Aggressionen sind beeinflussbar!
    Die Gewaltbereitschaft von Menschen kann mit Anti-Aggressivitäts-Trainings ® reduziert werden. Eine Vielzahl von Behandlungs- und Therapiemodellen belegen das (mehr dazu unter |35| www.prof-jens-weidner.de ). Man kann aber auch im Gegenzug die
positive Aggression fördern
, und genau das ist für Menschen empfehlenswert, die durchsetzungsstärker werden wollen. Wer lernt, nicht mehr alles hinunterzuschlucken, wer lernt, »Nein!« zu sagen, der wird von anderen stärker respektiert, und er tut auch etwas für seine Gesundheit, denn er baut dabei auch Tendenzen ab, sich durch zu große Nachgiebigkeit selbst zu schädigen.
    Der Schlüssel liegt bei beiden Methoden in der Seele des Menschen: Bei Anti-Aggressivitäts-Trainings ® wird versucht, im Täter Mitgefühl für sein Opfer zu wecken. »Einmassierung des Opferleids« in die Seele des aggressiven Täters, nennt es der amerikanisch-österreichische Pädagoge Fritz Redl. Einfach formuliert: Täter haben häufig Spaß an der Gewalt, weil sie sich an ihren Opfern abreagieren können und damit ihr Selbstbewusstsein aufpolieren: Aggression gibt ihnen das Gefühl von Stärke und Macht. Ein Täter formulierte mir gegenüber sogar, er fühle sich »Gott gleich«, eben als Herr über Leben und Intensivstation.
    Diesen Spaß an der Gewalt gilt es den Tätern zu verderben, zum Beispiel durch die intensive Konfrontation mit dem Opferleid in sechsmonatigen Programmen mit mehrstündigen Konfrontations-Gruppensitzungen (auf dem »Heißen Stuhl«), in denen der aggressive Gewalttäter ins Kreuzfeuer der Kritik genommen wird, bis er bereit ist, über das Leid nachzudenken, das er anderen Menschen zugefügt hat. Täter, die das Leid von Opfern nachempfinden lernen und empathisch werden, verlieren den Spaß an der Gewalt und entwickeln Schuld- und Schamgefühle. Das ist wichtig für den Opferschutz, denn Schuld- und Schamgefühle sind die Bremse, die bei zukünftigen Gewaltimpulsen gezielt betätigt werden kann und weitere Gewaltausbrüche verhindert! »Konfrontation als Hilfe« lautet |36| das professionelle Schlagwort, das Aggressive zum Umdenken bewegen kann.
    Nehmen wir noch ein Beispiel aus dem privaten Jugendinternat für Gangschläger in den USA, in dem ich das Konfrontieren lernte:
     
    George, ein muskulöser, groß gewachsener Jugendlicher, ist erst seit zwei Stunden in der Einrichtung. George stammt aus Baltimore und war Leader einer dortigen Vorstadtgang. Körperlich imposant, pfeift er seine neuen Zimmernachbarn an: »Glotzt nicht so blöd, ihr Arschlöcher!« Mike, ein ruhiger Jugendlicher, fühlt sich beleidigt. Er fordert George auf, sich zu entschuldigen. George fixiert den körperlich Unterlegenen: »Leck mich am Arsch, Bastard, in Baltimore landet so was wie du im Hafenbecken!« Darauf Mike: »Du drohst mir, Mann, das ist ein Fehler, ein ganz verdammter Fehler!« Mittlerweile stehen vier Jugendliche um den muskulösen Neuling und kritisieren: »Was bildest du dir ein? Du hast mir, uns allen, unsere Würde genommen!«
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