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Die Pension am Deich: Frauenroman

Die Pension am Deich: Frauenroman

Titel: Die Pension am Deich: Frauenroman
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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Monika greift nach dem Glas und steht auf. Sie wird sich wieder hinlegen. Vielleicht schläft sie sogar ein. Sie kann hier nicht bis zum Morgengrauen hocken bleiben.
    Sie steht noch in der Küche, als über ihr die Decke zu beben beginnt. Ein heftiges Gepolter. Stille. Wieder Lärm. Ein Stuhl scheint umgefallen zu sein. Monika starrt gebannt nach oben, als hätte sie die Gabe, durch Wände zu sehen. Wieder ein undefinierbares Gerumpel. Monika ist nicht fähig, sich zu rühren. Was passiert da gerade, und warum ist Frank schon aufgewacht. Was macht er, um Himmels willen, mit Susi. Haben die Medikamente eine gewalttätige Ader bei ihm freigelegt? Die Vorstellung löst sie aus ihrer Erstarrung. Sie muss da hoch und zwar sofort. Die arme Frau braucht vielleicht Hilfe. Auf dem Flur stößt sie fast mit Anne zusammen. Die steht leichenblass wie ein Geist vor ihr. Der schwarze Jogginganzug unterstreicht ihre Blässe. Eine Tür wird aufgerissen. Tomke. Sie trägt einen rosafarbenen Schlafanzug. Auf dem Oberteil glitzern zwei knallrote Applikationen in Herzform. Monika starrt sie wie hypnotisiert an. Dann erst realisiert sie, was Tomke in der Hand hält. Einen Baseballschläger. Monika reißt vor Entsetzen ihren Mund auf, ohne einen Ton herauszubekommen.
    Bevor die drei Frauen die erste Etage erstürmen können, stolpert ihnen Susi auf der Treppe entgegen. Sie hat nur notdürftig ein Badehandtuch um ihren Körper geschlungen.
    »Kummt her! De Kerl geit dood! Nu fix!« In ihrer Aufregung ist sie ins Plattdeutsche verfallen. Sie dreht sich hektisch um und eilt wieder nach oben.
    Der Kerl und tot, hat Monika verstanden. Sie sucht entsetzt Tomkes Blick. Die starrt an ihr vorbei und ist nun auch kreidebleich geworden. »Schnell«, krächzt sie, und sie hasten gemeinsam die Treppen hoch. Das kann doch nicht sein, denkt Monika verzweifelt. Er kann doch nicht einfach sterben. Das geht nicht. Von zwei Tabletten. Unmöglich. Oder ein allergischer Schock?
    Im Gästezimmer bietet sich ihnen ein groteskes Bild. Susi steht am Fußende des Doppelbettes und hält Franks Beine so gut sie kann nach oben. Das Badehandtuch ist ihr bei der Aktion heruntergerutscht. Frank ist ebenfalls nackt. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt und in Schweiß gebadet. Aber er lebt.
    Mit ein paar Schritten ist Monika bei ihm.
    Susi sieht Anne auffordernd an. Die übernimmt folgsam Franks Beine und hält sie weiter nach oben. Ohne zu hinterfragen, ob das sinnvoll ist. Susi hat so etwas Überzeugendes. Tomke wirft Frank ein Handtuch über den Genitalbereich. Dann holt sie aus dem Badezimmer einen feuchten Waschlappen und drückt ihn Monika in die Hand. »Für seine Stirn«, sagt sie ungeduldig, als die nicht kapiert, was sie damit anfangen soll. Ihr nächster Handgriff gilt dem Telefonhörer. »Ich rufe den Notarzt!«
    »Heb ik all mokt. De kummt glieks«, mischt sich Susi ein. Wie zur Bestätigung ihrer Worte fällt das unruhige Blaulicht eines Rettungswagens durch das Schlafzimmerfenster. Susi rafft ihre Kleidungsstücke zusammen.
    »Wo kann ik mi ümträken?«
    »Nebenan ist frei«, antwortet Tomke fahrig, schon auf dem Weg nach unten, den Helfern die Tür zu öffnen.
    »Ik gor nu wech«, ruft Susi ihr hinterher. Mit einem letzten Blick auf Frank »Tschüß und allns goode.«
    Monika nimmt nichts wahr. Sie sieht nur ihren Mann und tupft ihm mit dem nassen Waschlappen immer wieder über die Stirn. »Stirb bitte nicht«, flüstert sie.
    Er schüttelt kaum merklich den Kopf und weist kraftlos mit der Hand auf die leere Betthälfte neben sich.
    »Ich habe nicht …«, flüstert er angestrengt.
    Monika nickt ihm beruhigend zu. Ihr steigen Tränen in die Augen:
    »Ja, ich weiß. Ich weiß.«
     
    Der Krankenwagen fährt bedächtig die Deichstraße entlang. Ohne Martinshorn. Nur das Blaulicht zieht seine Kreise. Als wäre keine Eile mehr von Nöten.
    Anne und Tomke stehen in der Haustür und sehen dem Wagen hinterher.
    »Der schafft das«, sagt Tomke mit Überzeugung, aber ihre Stimme zittert.
    Anne nickt heftig. »Ja, bestimmt. Fahren wir hinterher?«
    »Unbedingt. Wir können Monika nicht allein lassen. Außerdem muss sie von Wilhelmshaven wieder zurückkommen.«
    Sie holen sich ihre Jacken und eilen in die Garage zum Auto. Anne öffnet die Beifahrertür. »Oh, eine Maus!«
    Tomke lächelt müde. »Na wenigstens eine, die endlich vernünftig geworden ist.«
    Sie kommt herum und schnappt den Käfig mit der panisch piepsenden Maus.
    »Ich lass sie eben frei«, erklärt sie
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