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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)
Autoren: Monika Zeiner
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die ihn in eine direkte Verbindung zu ihm fädelte, weil sie den Zufall nicht ertragen konnte, weil der Mensch bestrebt war, Zeichen und Symbole und Ordnung in alles hineinzulesen, in die Sterne, ins Meer, in schwarze Katzen von links oder grüne Autos von rechts und auch in Erinnerungsglasperlen.
    Sie wünschte sich eine Zigarette, wie sie sich schon lange keine mehr gewünscht hatte. Hinter ihr wogte der Verkehrslärm, vor ihr lag ruhig das Meer. Autoabgase mischten sich mit dem Salzgeruch, müde Wellen klatschten zu ihren Füßen. Ein paar Angler, schwarze Schatten am Ufer, hypnotisierten das Wasser, aber rechter Hand, auf Santa Lucia, waren bereits die Fäden der Leuchtgirlanden aufgehängt, für die wenigen Touristen, die auch in der Februarkälte draußen saßen, Cappuccino oder Rotwein trinkend, pensionierte Lehrerehepaare aus Schwaben mit großen Fotoapparaten oder winzigen Digitalkameras.
    Betty beneidete sie, ohne zu wissen, warum. Zwar hätte sie eigentlich kein pensioniertes Lehrerehepaar sein wollen, aberdennoch beneidete sie es, wie es auf Santa Lucia saß und sich die Hand hielt und auch ein wenig fror und /oder auch ein wenig stritt. Sie beneidete es, weil sie im Augenblick fast alle beneidete, die nicht sie selbst waren.
    Ein Wind flog übers Meer. Ein Anruf, dachte sie, oder auch nicht. Oder auch sitzen bleiben, dachte sie, hier auf diesem quadratischen Stein und versteinern und ihn nicht anrufen müssen, niemanden mehr anrufen müssen.
    Weil sie aber zu frieren begann, stand sie auf und wanderte ein langes Stück auf der Kaimauer dahin. Draußen über dem Meer fraßen sich Sterne in die Nacht. Das Himmelsschwarz glich dort einem durchlöcherten Bühnenvorhang, von tausend Schweinwerfern hinterleuchtet. Der Autolärm bot eine vertraute Spur, der sie folgte. Kurz vor dem Castel Nuovo, am neuen Hafen, überquerte sie das Lungomare, tauchte wieder in die Menschenbrandung ein und unter und ließ sich in der Via Roma in eine kleine Bar spülen, wo sie Grappa und Espresso und abschließend einen Averna und noch einen Averna bestellte. Auch kaufte sie Zigaretten, die sie vor der Türe stehend rauchte, und sie legte den Kopf in den Nacken und suchte die Sterne.
    Erst als sie die Haustür aufschloss, fielen ihr Alfredo und die Lasagne ein. Leise trat sie in den Flur, hängte ihren Mantel an einen provisorischen Kleiderhaken (einen Nagel, der schief in der Wand steckte). Stimmen und Gelächter drangen aus der Küche. Sie blieb stehen und horchte: Alfredo hatte offenbar Freunde eingeladen, Sergio und Paola, die seit Jahren, eigentlich seit ihrer Heirat, damit beschäftigt waren, ihre Eheprobleme zu lösen. Wahrscheinlich hatten sie eine Zeitlang gewartet, es schadegefunden, dass sie nicht kam, hatten dann aber gegessen, Wein getrunken und sich einen schönen Abend gemacht.
    Sie stand im Flur und wusste nicht wohin mit sich. Sicher konnte sie nicht die ganze Nacht hier stehen bleiben, aber in die Küche wollte sie nicht, denn sie hatte keine Lust auf einen schönen Abend und noch weniger Lust auf Eheprobleme. Die Küchentür quietschte, öffnete sich, unterbrach ihre Überlegungen und entließ einen schmalen Lichtschein, der auf den Flur hinaus direkt auf ihre Füße fiel. Ins Licht hinein trat Alfredo.
    »Hast du mich erschreckt!« Er steckte einen Hemdzipfel in seinen Hosenbund.
    Sie schwieg. Dann sagte sie ein Hallo.
    Wo sie denn um Himmels willen, sagte er, gewesen sei, er habe sie jetzt, in diesem Moment, zum ungefähr zwanzigsten Mal anrufen wollen, was sie jedoch für übertrieben hielt. Ihr Handy sei ausgestellt, erklärte sie ruhig, nicht aber entschuldigend.
    Das habe er gemerkt, sagte Alfredo, dessen Stimme zögerte, weil sie offenbar nicht genau wusste, welchen Weg sie einschlagen sollte, den der Ironie oder den der Wut. Aber in der Küche saßen die Gäste, weshalb er die Stimme vorsichtshalber dämpfte, als er weitersprach und nochmals fragte, wo sie denn bitteschön gewesen sei, er habe sich Sorgen gemacht.
    »Wo soll ich schon gewesen sein«, sagte Betty, »in der Klinik natürlich.«
    »Du warst doch nicht bis eben in der Klinik«, sagte Alfredo. »Ich habe dort angerufen, die haben gesagt, dass du schon um sieben gegangen bist!«
    »Ich weiß nicht, wann ich gegangen bin. Ich bin wahrscheinlich gegangen, als ich fertig war.«
    »Es war sieben!«
    »Dann war es eben sieben. Ob es jetzt sieben war oder acht oder neun, ist doch scheißegal, oder?«
    Sie standen sich im schmalen Flur gegenüber,
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