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Die Orangen des Präsidenten

Die Orangen des Präsidenten

Titel: Die Orangen des Präsidenten
Autoren: Abbas Khider
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presste mir ein Knie gegen den Hals. »Keine Bewegung!« Schließlich drehte er mir die Hände auf den Rücken und legte mir Handschellen an.
    Völlig überrumpelt lag ich auf dem Boden. Der Zivile steckte seine Hand in meine Tasche und holte meinen Geldbeutel heraus. Dann half er mir, mich aufzurappeln und begleitete mich zu einem Auto, das neben ein paar anderen hinter der Treppe des Tempelturms geparkt war.
    Der Mann am Steuer fuhr scharf an, und das losrasende Auto zog eine dichte Staubwolke hinter sich her. Ich drehte mich um und sah sechs oder sieben Autos hinter uns. Ein Uniformierter saß neben mir auf dem Rücksitz. Der andere steuerte das Auto, und der Zivile saß neben ihm.
    »Darf ich fragen, was los ist?«, fragte ich.
    Der neben mir drückte mit der Hand meinen Kopf nieder, schimpfte grob »Halt’s Maul!« und verband meine Augen mit einem Tuch.
    Die Welt war ausgeknipst. Pulsierende Wellen in meinen Augenhöhlen. Ein komisches Gefühl, gefesselt zu sein. Polizei? Wieso?
    Die Polizisten schalteten Musik ein. Die sanfte Stimme derlibanesischen Sängerin Fairuz drang an mein Ohr: »Ich liebe dich im Sommer. Ich liebe dich im Winter …«
    Draußen tobte der übliche Nachmittagslärm der Stadt, der sich mit menschlichen Stimmen vermischte, sobald das Auto irgendwo anhielt. Kurze Zeit später vernahm ich das Geräusch eines starken Windes, der heftig an das Autofenster schlug. Nach einer Weile war nichts mehr zu hören außer der Musik. Das Auto rollte einige Minuten lang sehr langsam und blieb dann unvermittelt stehen.
    Ich hörte, wie die Wagentüren aufgerissen wurden, und die Schritte der Polizisten, die ausgestiegen waren. Einer griff nach meinem Arm: »Beweg dich!«, schnarrte er. Ich stieg aus und hörte die vielen Schritte um mich herum, das stärker gewordene Klopfen meines Herzens. Wir marschierten los. Nach ungefähr dreihundert Metern das Knarren einer Tür. Noch einige Schritte. Dann durfte ich mich auf einen Stuhl setzen. Die Schritte entfernten sich. Ich hörte gar nichts mehr.
    Es war kalt. Seltsame Geräusche nebenan. Sie näherten sich. Ein flüsterndes Pfeifen in meinen Ohren. Es kam näher und entfernte sich wieder. Dann nichts mehr. Stille. Wieder ein Pfeifen. Ob hier einer mit mir spielte? Stille.
    Fragen schwirrten durch meinen Kopf. Was ist los, verdammt noch mal?! Warum? Ich konnte mich nicht konzentrieren. Mich an nichts Konkretes erinnern. Ich fühlte aber die Angst in mir, die wie Sandkörner in meinem leeren Inneren durcheinanderwirbelte. Ich wusste nicht genau, wie lange ich dasaß. Fünf Minuten oder eine Viertelstunde? Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit.
    Plötzlich ein Krach. Eine Tür war zugeschlagen worden. Dann eine andere Tür, näher als die erste. Schritte näherten sich. Einer legte die Hand auf meine Schulter. »Steh auf!« Ich ging einige wenige Schritte. Der Bewacher klopfte an eine Tür. »Komm rein!«, sagte einer. Wieder einige Schritte. Der Begleiter salutierte: »Zu Befehl!« Dann flüsterte er mir ins Ohr: »Setz dich!«
    Noch einige Sekunden Lautlosigkeit. Dann hörte ich leiseGeräusche. Irgendjemand blätterte vermutlich in einem Buch oder in einer Zeitung. Nach mehr als einer Minute ertönte eine sehr harte, kräftige Stimme: »Bist du Mahdi Muhsin?«
    »Ja. Mit wem spreche ich?«
    »Antworte auf die Frage! Bist du es?«
    »Ja. Bin ich.«
    »Wie alt bist du?«
    »Achtzehn.«
    »Beruf?«
    »Schüler.«
    »Wie heißt dein Vater?«
    »Muhsin Hussein.«
    »Der Beruf deines Vaters?«
    »Geografielehrer.«
    »Und wie heißt die Mutter?«
    »Haiat Mozan.«
    »Wo leben deine Eltern?«
    »Sie sind tot.«
    »Wo bist du geboren?«
    »In Babylon. Hilla.«
    »Seit wann wohnst du in Nasrijah?«
    »Über ein Jahr.«
    »Bei wem?«
    »Bei meinem Onkel.«
    »Habt ihr in der Familie einen, der im Gefängnis war?«
    »Nein.«
    »Also, ich rate dir etwas. Es gibt eine Redewendung: ‹Die Rettung liegt in der Ehrlichkeit.› Wenn du ehrlich bist, bist du gerettet.« Die Stimme näherte sich meinem Gesicht. Ich bemerkte den Gestank von Rauch. »Junge! Wenn du lügst, dann werde ich dir das Leben zur Hölle machen.«
    »Ich sag Ihnen alles, was Sie wollen.«
    »Ich will aber nicht, dass du uns sagst, was wir wollen, sondern nur die Wahrheit. Mehr will ich von dir nicht hören.«
    Der Mann schwieg eine Weile. Dann fragte er: »Möchtest du Tee, Kaffee oder Wasser?«
    »Wasser, bitte.«
    Mir wurden die Handschellen geöffnet und das Tuch abgenommen. Das grelle Licht der
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