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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen
Autoren: Rolf Ulrici
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Gockel. Aber Mädchen haben keinen Nerv für symbolische Komik, so gern sie sonst lachen. Bibi guckte auch weniger mich oder die Trophäe an, sie guckte auf Cotta. Mit Siegesblick.
    »Na ja«, sagte Cotta erhaben. »Es ist ja das Haus Ihrer Tante. Da können Sie ja was abmontieren.« Und sie stellte den Fuß auf den Hacken und wippte gereizt mit der Spitze.
    »Ich hatte mir etwas dabei gedacht«, sagte ich. »Ich dachte, wenn ich die Wetterfahne hole, fahren Sie vielleicht doch nicht in den Spreewald, sondern... na, vielleicht auch an die See.«
    »Wer? Bibi?« rief Cotta wie aus der Pistole geschossen.
    »Nein, beide«, sagte ich. »Beide natürlich.«
    Bibi schmiß die Zöpfe über die Schultern und warf die Wetterfahne mit Riesenschwung in den See. Dann patschte sie den Rost von den Händen und sagte atemlos: »Klar...!«
    Jetzt mußten wir zum Abendessen. Es war nichts Großes, nur so eine Art Stehkonvent mit Sandwiches. Wie Cotta entschieden hatte, erfuhr ich vorläufig nicht. Ich mußte mit den Onkeln ein Glas Wein trinken. Später hatte ich die Eingebung, wieder nach draußen zu schauen.
    Bibi und Cotta warteten im Dunkeln an der Hecke.
    »Also, Cotta will mit an die See fahren«, sagte Bibi.
    »Du willst«, sagte Cotta.
    Sie hatten eben aber nach längerer Debatte entschieden, daß sie beide mitfahren wollten. Und das gaben sie dann auch zu, denn die Zeit drängte.
    »Raffaela...?« rief die Tante vom Hause her. »Barbara...!«
    »Also rasch«, sagte Bibi. »Wir rufen an. Was für eine Telefonnummer?«
    »Rufen Sie ganz bestimmt an?«
    »Bestimmt«, sagte Cotta.
    Sie gaben mir die Hand und verschwanden in der Dunkelheit wie zwei perfekte Rehe.

    Anmerkung der Sekretärin: Sehr verehrte Frau Cotta! Der Chef ist in Amerika. Hier das erste Kapitel. Die Arbeit ist dadurch erschwert, daß nur ein Haufen ungeordneter Zettel vorliegt. Und mein Chef hat eine Schrift wie zwei Ärzte zusammen. Das heißt, wie wenn einer quer über die Sätze des anderen schreibt.

Der sterbende Cäsar

    Ich hatte Bibi und Cotta beschwindelt. Ich schrieb kein Drama, sondern ein Märchenspiel. Es hieß: »Klein-Willi mit dem großen Hut.«
    Damals arbeitete ich nebenbei in einem Märchenverlag, wo man Klein-Willi vielleicht gebrauchen konnte. Vorsorglich klebte ich ein Etikett auf das Heft mit dem Titel: »Der sterbende Cäsar«, denn ich mußte doch den Mädchen etwas Ernsthaftes vorzuweisen haben. Ich argwöhnte, daß sie sich nur deshalb für mich interessierten, weil sie an das Drama glaubten...
    Das erstemal meldeten sich Bibi und Cotta, als ich nach durcharbeiteter Nacht auf die Couch gesunken war. Ich wohnte bei der Witwe Rietsprecht am Olivaer Platz, im Erkerzimmer hoch über den Hecken.
    »Da ist ein Heinz am Telefon!« rief die Witwe durch die Tür.
    Es war Cotta. Sie hatte sich mit »Heinz« gemeldet, um mich nicht zu kompromittieren. Aber was sie dachte, was die Wirtin nun denken sollte, war schleierhaft.
    »Wir haben ein paar Minuten Zeit vor der Schule«, rief Cotta. »Können Sie gleich mal auf dem Bahnhof Westkreuz sein?«
    Ich hatte die Augen noch nicht richtig offen.
    »Dann auf dem Bahnhof Savignyplatz«, rief Cotta. »Wir springen hier in den Zug und kommen Ihnen entgegen. Rennen Sie gleich los!«
    Springen. Rennen. Ich sagte, ich sei noch im Anzug von gestern abend. Aber das war kein Grund. Ich mußte zum Savignyplatz.
    Als ich durch die Sperre kam, sprangen Bibi und Cotta eben aus dem Zug. Taufrisch. Cotta in Gelb, Bibi rot-weiß gestreift. Beide mit Schultaschen, Bibi außerdem mit Schrippentüte.
    »Also«, sagte Cotta, »wir fahren an die See. Es geht jetzt darum, ob Sie mitwollen.«
    Ach so. Das war die neue Auslegung. Aus Gründen des Stolzes. Ich verstand.
    »Sie müssen eine Menge Ansichtskarten aus Thüringen schreiben!«
    Ich verstand nicht.
    »Na, wir dürfen doch nicht gemeinsam fahren!« sagte Cotta.
    »Aber wer könnte denn vermuten...«
    »Es könnte durch Ihre Tante herauskommen«, beharrte Cotta.
    »Cottas Vater ist fürchterlich streng«, sagte Bibi erklärend.
    Der Gegenzug kam, sie stiegen ein. Gedränge. Ich sah noch eine Schultasche zwischen Ellenbogen. Auch Bibis Schrippentüte noch. Weg waren sie.
    Die Reise wurde weiterhin im Fluge vorbereitet. Die beiden verfuhren dabei nach einem unerforschlichen Plan, der sich auf die Lücken in ihrem Schul- und Sportpensum stützte.
    Bibi war immer der vorgeschobene Posten: »Cotta sitzt da oder da...« Oder: »Cotta steht an der Ecke...« Oder: »Cotta
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