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Die Oder gluckste vor Vergnügen

Die Oder gluckste vor Vergnügen

Titel: Die Oder gluckste vor Vergnügen
Autoren: Rolf Ulrici
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gewohnt, seine Opfer quer durch Europa zu verfolgen. Eben erwischte Bibi noch ihren Schuh. Eine verlorene Klingelhälfte ließen wir liegen. Und so, auf der Flucht vor dem Hund, kamen wir sehr rasch nach Eberswalde.
    »Eine Backe-backe-Kuchen-Stadt«, stellte Bibi fest.
    Man sah viele Schürzen-Frauchen, traulich dunkle Läden, buschiges Grün und kakaofarbene Straßenbahnen, wie in Potsdam.
    Hier war auch die Reichsfeuerwehrschule. Und wie wir sahen, hatte sie viel zu tun. In der Hitze schwärmten die Bienen, da mußten die blauen Männer auf die Dächer. Drunten standen pfeiferauchende Imker.
    Dreizehn Bienenalarme hatte die Stadt seit heute früh, hörten wir. Und sechsmal Wespen. Die waren demnach nicht so aktiv, brauchten auch nicht umständlich gefangen zu werden. Es genügte eine ordentliche Spritze Chemie, so daß sie tot zur Erde regneten. Ja, wenn man in dieser Welt keinen Honig gibt...
    Cotta fragte einen Blinden, ob es stimme, daß Wallenstein durch Eberswalde gezogen sei. Der Blinde sagte wahrheitsgemäß: »Ich hab’ ihn nicht gesehen.«
    Und sie erkundigte sich nach Gustav Adolf. Aber das Mütterchen, das sie fragte, sagte dunkel: »Der is im Garten.«
    Bibi fotografierte das Standbild des Oberlandesforstmeisters Danckelmann. Und dann fuhren wir über den Finowkanal, und das Wasser hauchte uns an.
    Ein Schild »Landesirrenanstalt«.
    »Landesirre!« schrie Bibi. »Die haben wahrscheinlich auch das Schild aufgestellt!«
    Alsbald wehten uns die Rüche vieler Seen von Nordwesten her entgegen. Brandenburg roch hier nach Mecklenburg.
    Den großen und den kleinen Rosinsee hatte Cotta notiert, den Krugsee, das Kalte Wasser, den großen Heiligensee (als ob’s auch kleine Heilige gäbe).
    Ein Amtssee war auch da. Amtmanns Amtsferien am Amtssee. Das versuchten wir ganz schnell zu sprechen, und die Bauersfrauen guckten uns nach, als seien wir aus der Landesirrenanstalt entsprungen.
    »Hier ist auch irgendwo die Mühle, wo der Falsche Waldemar gewohnt hat«, sagte Cotta. »Der Müller hieß Rehbock, der hat sich für den Markgrafen Waldemar ausgegeben.« Daher der Name Falscher Waldemar.
    Wir schlugen uns durch die Büsche, weil Bibi die Klosterruine von Chorin knipsen wollte. Da war jetzt ein Forstamt und natürlich wieder ein Denkmal.
    »Für die im Felde gebliebenen Forstmänner«, las Cotta. »Was?« rief sie erstaunt. Sie dachte, im Kampfe gegen deutsches Wild. Es war aber ein Kriegermal von 18 70/71.
    Als Bibi ihren Fotoapparat darauf richtete, sahen wir den Junglehrer mit seiner Vier-Mark-Box. Er knipste das Mal von der anderen Seite.
    Wir fuhren schleunigst weiter.
    Aber in Angermünde machte Cotta schlapp. Bibi sprach keck mit dem Fahrer einer Knochengroßhandlung; der Jüngling war entzückt, sie mitnehmen zu dürfen; er dachte, Bibi verhandele in eigener Sache. Als er zugestimmt hatte, kam Cotta. Das bestürzte ihn, denn sie erschien ihm wohl unnahbarer.
    »Das mache ich immer so, wenn ich für meine häßliche Tante einen Platz in der Bahn suche«, sagte Bibi. Die Jünglinge stünden rasch auf. Und zögen dann lange Gesichter, wenn statt dessen die Tante käme.
    Cotta warf Bibi einen mörderischen Blick zu, ließ sich das Rad auf den Wagen heben und verschwand im Gehäuse. Der Wagen fuhr erst noch dienstlich durch die Stadt.
    Es war das erste Mal, daß ich mit Bibi ein paar Kilometer allein war. Bibi war nicht sehr ergiebig. »Da, ein Huhn...« oder: »Noch immer keine Wolke...« oder: »Wo Cotta nur mit den Knochen bleibt?« Das war alles.
    Die Chaussee ging schattenlos auf und nieder. Nach einer Weile legten wir die Räder in den Graben und spähten nach Süden. Die ganze Himmelsrichtung wurde zum Mangel an Cotta.
    »Wenn ihr was passiert ist, bringt der Vater uns um«, sagte Bibi. Sie erging sich in wilden Vermutungen. Bald lag das Knochenauto im Graben, bald hatte der Vater sie verfolgt und geschnappt.
    »Oder sie hat sich in den Jüngling verliebt«, meinte ich.
    Das war das einzige, was absolut ausschied.
    »Cotta verliebt sich nie «, sagte Bibi. Sie seufzte, als wollte sie sagen: »Anders als ich.«
    Ihr Blick fiel auf den See im Wiesengrün. Eine Moräne, schilfumgürtet, ein Gottesauge. Sie lief darauf zu. Ein schwarzer Kahn lag da, darin schaukelte sie schon, als ich ankam. Es roch nach modrigem Holz. Am sonnigen Horizont stand die Marienkirche von Angermünde. Ein hübscher Warteplatz. Wir nannten den See den »Cotta-Wartesee«.
    Hühner mit Nasenklecks lugten aus dem Schilf.
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