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Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas
Autoren: Jodi Kantor
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die ehemalige Herausgeberin der
Chicago Tribune,
als sie sich daran erinnerte, wie sie den Obamas zum ersten Mal auf einer Party begegnet war. Doch nach seinem Sieg 2004 fand sich das Ehepaar auf völlig verschiedenen Ebenen wieder. Er war praktisch von einem Tag zum anderen zum Star avanciert, während seine weitgehend unbekannte Ehefrau in der Verwaltung des Medical Center der Universität Chicago arbeitete. Bei manchen seiner Auftritte wurde er so von Fans bedrängt, dass er in die Herrentoilette flüchtete, wenn er mit seiner Frau telefonieren wollte. Hin und wieder hörte sie die Stimme ihres Mannes jetzt sogar im Radio. »Siehst du, ich bin auch auf dem Bild«, sagte Michelle Obama einmal zu einer Freundin, die mit ihr an einer Supermarktkasse anstand, und deutete auf das Bild ihres Mannes in einem Hochglanz-Klatschmagazin. »Das ist mein Ellbogen!«
    Manchmal nahm Michelle die ganze Sache mit Humor: An Malias und Sashas Schule zum Beispiel wurden die Obamas vom Planungskomitee, das die jährliche Fundraising-Gala organisierte, zu Ehrenvorsitzenden erhoben. Auf der Abendveranstaltung stellte der Rektor der Schule die beiden vor, doch als Barack Obama nach dem Mikrofon griff, schnappte seine Frau es ihm aus der Hand. »Ich weiß, dass Sie gekommen sind, um Barack zu hören«, verkündete sie, »aber heute Abend ist er nur die Dekoration.« Die Leute bogen sich vor Lachen, und Barack Obama grinste wie ein Honigkuchenpferd, wirkte belustigt und zufrieden, ausnahmsweise einmal die zweite Geige spielen zu dürfen.
    Doch gleichzeitig fühlte Michelle sich auch übergangen, außen vor. Sie war beunruhigt, weil ihr Mann so wenig Zeit mit der Familie verbrachte, und fragte sich, warum das Wahlkampfteam sie nicht über die anstehenden Programmpunkte aufklärte oder ihr herauszufinden half, wie sie von ihrer Arbeit zu einer Wahlkampfveranstaltung und von dort wieder rechtzeitig zu den Kindern nach Hause kommen konnte. Sie scheute sich nicht, mit seinem Mitarbeiterstab Klartext zu reden. »Ihre sehr direkte Art ist wirklich sehr direkt, und manch einer kann das auch mal in den falschen Hals bekommen«, sagte Kevin Thompson, der bei der Kandidatur von Obama als dessen persönlicher Berater fungierte. Wenn er und Obama gerade auf dem Rückweg von einer Veranstaltung in irgendeinem weit entfernten County von Illinois waren, konnte es sein, dass Michelle anrief: »Kannst du noch Milch und Eier mitbringen?« Einige Mitarbeiter wussten nicht genau, was sie von solchen Aufträgen halten sollten. Ihr Mann hatte sich den ganzen Tag abgerackert. Konnte sie ihn da nicht mit so etwas verschonen?
    Bei ihren wenigen öffentlichen Wahlkampfauftritten nahm sie ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Vor fünfzig Zuhörern in Edwardsville griff sie George W. Bush offen an, den Noch-Präsidenten. Ihr Vater habe an Multipler Sklerose gelitten, sagte sie, und es trotzdem geschafft, zwei seiner Kinder an die Uni in Princeton zu schicken. Einen »reichen, verwöhnten Präsidenten« über Familienwerte predigen zu hören sei geradezu eine Beleidigung, erklärte sie dem Publikum.
    Gelegentlich erwartete man von ihr die Floskeln einer Politikerehefrau – sie sollte den Zuhörern versichern, Barack Obama sei schlichtweg der Beste –, und dann machte es ihr Spaß, das Gegenteil zu tun: »Wenn er verliert, wäre das vielleicht gar nicht so schlecht«, meinte sie einmal in der letzten Phase des Rennens um den Senatorenposten im September 2004 und rieb sich dabei mit gespielter Freude die Hände. [3] Sie scheute sich auch nicht, die eigene Meinung zu vertreten. »Was ich an Männern feststelle, an allen Männern, ist, dass bei ihnen die Reihenfolge lautet: Ich, meine Familie, Gott kommt auch irgendwo vor, aber ›ich‹ steht an erster Stelle. Und bei Frauen kommt ›ich‹ an vierter Stelle, und das ist nicht gut.« Dann fügte sie hinzu: »Bei mir ging es so weit, dass ich mir überlegt habe, wie ich mir überhaupt ein Leben für mich selbst schaffe, das über die Frage hinausgeht, wer Barack ist und was er will.« Nun hatte die Debatte, die sie lange Jahre mit ihrem Mann geführt hatte, die Seiten der
Chicago Tribune
erreicht.
    Michelle Obama mochte sich vom Stab ihres Mannes nicht ernst genommen fühlen, doch im Grunde sahen seine Mitarbeiter die Kluft zwischen Baracks rasanter Karriere und Michelles Wunsch nach Stabilität und waren stets um Ausgleich bemüht. Als sich klar abzeichnete, dass Barack Obama das Rennen um den Senatorensitz gewinnen
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