Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Obamas

Die Obamas

Titel: Die Obamas
Autoren: Jodi Kantor
Vom Netzwerk:
getroffen werden«, sagte Kevin Thompson, der mit Michelle zusammenarbeitete. Grundlegende Probleme wie Armut und Bildung spielten kaum eine Rolle. Michelle Obama missbilligte die Art und Weise, wie Daley seine Macht sicherte; er scharte einen harten Kern von drei, vier Mitarbeitern um sich, die wenig Interesse daran hatten, anderen den Zugang zu diesem inneren Zirkel zu ermöglichen. Jahre später würde sie ihren Mann vor einer ähnlichen Entwicklung warnen. Im Büro trat sie immer sachlich und professionell auf, aber hinter verschlossenen Türen konnte sie zuweilen harsche Kritik an Daleys Amtsführung üben.
    In Illinois lag die Macht seit Generationen in den Händen einer kleinen Gruppe katholischer Familien irischer Abstammung – den Daleys in Chicago, den Hynes und Madigans im gesamten Bundesstaat. Diese Art der Machtverteilung lehnte Michelle Obama strikt ab. »Niemand hat das Recht, gewählt zu werden, nur weil er aus einem bestimmten Schoß hervorgekommen ist«, sollte sie einige Jahre später zu Dan Shomon sagen, dem Politikberater ihres Mannes. »Ein Kennedy sollte keine größere Chance haben als ein Obama. Woher nehmen sich diese Leute das Recht?«
    Sie blieb nur zwei Jahre bei der Stadtverwaltung, bevor ihr die Leitung eines Programms anvertraut wurde, dessen Name allein Bände sprach. Es hieß »Public Allies«, also so viel wie »Verbündete in der Gemeinde«, und hatte zum Ziel, eine neue Generation von Leuten heranzuziehen, die aus ganz verschiedenen Milieus stammten und später einmal in ihren Stadtvierteln Arbeit innerhalb des Gemeinwesens übernehmen sollten – eine Alternative zu den etablierten Machtstrukturen.
    Zwei Jahre später, 1995 , war Valerie Jarrett ohne viel Federlesens ihre Stelle losgeworden: Sie war mächtigen Stadtentwicklern ein Dorn im Auge, die den Bürgermeister davon überzeugt hatten, sie besser gehen zu lassen. Und obwohl Valerie Jarrett und der Bürgermeister sich angefreundet hatten, enthob er sie ihres Amtes, ohne je mit ihr über diesen Entschluss zu sprechen. Die Obamas waren entsetzt. Ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich bestätigt.
    Was die Politik anging, erkannte Barack Obama dieselben Probleme wie seine Frau – die Dominanz der Finanzwelt, die fehlenden Zugangschancen für Neulinge im System, die Art, wie die Mächtigen ihre Möglichkeiten nutzten, um den eigenen Einfluss auszubauen, statt anderen zu helfen. Doch für ihn waren dies keine Gründe, sich aus der Politik herauszuhalten. Im Gegenteil: Er glaubte an sein Talent und seine Einzigartigkeit. Er war überzeugt, dass die üblichen Regeln für ihn nicht galten. Als in jenem Sommer ein Sitz im Senat des Bundesstaats Illinois frei wurde, eröffnete Barack, der bis dahin Verfassungsrecht an der Universität gelehrt und in einer Anwaltssozietät gearbeitet hatte, seiner Frau, dass er – mit ihrer Unterstützung – kandidieren wolle. »Ich habe dich geheiratet, weil du wirklich clever bist, aber das ist das Dümmste, was du je von mir verlangen könntest«, sagte sie.
    Er versprach nichts weniger, als die Aufgabe neu zu definieren und der Moral wieder einen Platz in der Politik zu verschaffen. »Was wäre, wenn ein Politiker seinen Beruf so auffassen würde wie ein Sozialarbeiter?«, sagte er in einem Interview. »Halb Lehrer, halb Anwalt, wie jemand, der seine Wähler nicht schlechtmacht, sondern sie aufmerksam macht auf echte Chancen und Möglichkeiten, die sich ihnen bieten?« Zugegeben, auf kurze Sicht müsse er bei reichen Spendern Geld einsammeln, räumte er ein, aber sobald er bekannter sei, würde er darauf verzichten können. [2]
    Es waren Äußerungen wie diese, die Michelle beunruhigten: Wie würde es jemandem wie ihm in der notorisch korrupten Hauptstadt des Bundesstaats Illinois ergehen? Später würden auch andere Leute Bedenken äußern, ob er nicht vielleicht zu ernsthaft und zu konfliktscheu sei – Michelle hatte all das schon viel früher gesehen. »Ich glaube, er ist zu gut für diese Art von Brutalität, für diese Skepsis, mit der man ihm dort begegnen wird«, äußerte sich Michelle Obama damals besorgt in einem Interview. Barack Obama, der ehemalige Präsident der
Harvard Law Review,
wollte Teil eines Systems werden, das seine eigene Frau verurteilte. Hinzu kam, dass sie beide Kinder haben und ihnen die Art von Leben in einem festen Familienverbund bieten wollten, nach dem Barack sich immer gesehnt hatte. Er sagte ihr, dass sie es irgendwie schaffen würden; Michelle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher