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Die Niete Im Bett

Die Niete Im Bett

Titel: Die Niete Im Bett
Autoren: Leonie Winter
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ekelhaften Geschmack aus meinem Mund zu vertreiben.
    »Bis eben haben Sie geschlafen, hihi«, kichert Frau Krohn und wackelt mit dem Kopf, so wie alte Leute eben manchmal mit dem Kopf wackeln.
    »Wie spät ist es?«
    »Viertel nach zehn morgens«, sagt Frau Krohn fröhlich. »Aber Sie haben nichts verpasst. Es regnet. Was kann man im Winter auch anderes erwarten, noch dazu in Hamburg, nicht wahr? Ach, ach, da macht man es sich halt drinnen gemütlich. Am Wochenende kommen meine Urenkel, ich überlege, ob wir nicht alle gemeinsam Plätzchen backen, was meinen Sie? Ich …«
    »Es ist Viertel nach zehn?« Ich schieße hoch. Verdammt noch mal. Spätestens um zehn hätte ich im Laden sein müssen. Zum Glück ist Mr. Bean heute da, er hat einen Schlüssel.
    Mr. Bean, also der Mann, der Mia als Weib bezeichnet, heißt eigentlich Detlef Göbel, aber weil er eben so aussieht wie Mr. Bean, hat ihn meines Wissens niemals jemand bei seinem richtigen Namen genannt, wahrscheinlich auch nicht seine Eltern, wobei es damals die Figur Mr. Bean noch gar nicht gab.
    Er arbeitet vier Tage die Woche bei mir, fährt zum Markt und kauft ein, und er macht die Getränke und gibt das Essen aus. Er springt auch immer dann ein, wenn ich – aus welchen Gründen auch immer – verhindert bin. Eigentlich ist er das Mädchen für alles, wenn man es mal ganz genau nimmt, aber Mr. Bean ist sehr eitel und besteht darauf, dass man ihn als Chef-Sommelier bezeichnet, obwohl er sich gar nicht mit Weinen auskennt, aber er findet, das hört sich so edel an. Mein Einwand, dass es ja außer ihm gar keinen Mitarbeiter bei uns gibt und er sich deswegen den Zusatz Chef sparen kann, wird von Mr. Bean konsequent ignoriert.
    Wenigstens kann mich niemand verklagen, wenn ich meinen Mitarbeiter als Sommelier betitele, obwohl er keiner ist, denn der Begriff ist glücklicherweise nicht geschützt.
    Aber darum geht es hier ja nun gerade gar nicht.
    »Ich muss in den Laden«, krächze ich, während sadistische Monster mein Hirn mit ihren kleinen Äxten malträtieren.
    »Ihr Mitarbeiter hat schon angerufen.« Frau Krohn hält mein Handy hoch. »Ich habe ihm gesagt, dass Sie unpässlich sind.«
    »Ich bin doch nicht unpässlich!«
    Nur Frauen sind das.
    »Oh doch.« Nun keckert Frau Krohn und wackelt wieder so mit ihrem Kopf, dass ihre kleinen Silberlöckchen wippen. Eine wirklich feine alte Dame ist sie, das muss man ihr lassen. Immer gepflegt, immer freundlich und immer … ja, so weise und klug und so aristokratisch. Ja, das ist sie. Sie ist in einem großen Stadthaus in Lübeck aufgewachsen, hat sie mir mal erzählt. Mit Dienstboten und allem Drum und Dran. Die Noblesse ist ihr eben angeboren. So was soll es ja geben. Frau Krohn findet bestimmt zu jeder Gelegenheit die passenden edlen Worte, da bin ich mir sicher.
    Gleichzeitig frage ich mich, ob ich noch alle Latten am Zaun habe, weil ich über so etwas absolut Unwichtiges nachdenke.
    Die aristokratische Frau Krohn beugt sich zu mir.
    »Sie haben zuerst in meine Wildlederstiefel gekotzt, dann in meinen Einkaufskorb und dann in meinen Schoß. Da kam dann aber fast nur noch Galle«, lässt sie mich wissen. »Wenn Sie mich zum Kotzen finden, hätten Sie’s mir doch einfach sagen können.« Sie lacht über ihren eigenen Witz.
    Ich öffne den Mund, um etwas zu erwidern, aber sie hebt beide Hände, also schweige ich. Mir ist auch schon wieder schlecht. Ich möchte noch mal kotzen. Die Magensäure, die Magensäure.
    »Ich hab gestern Abend auf dem Balkon gestanden und eine geraucht, als ich Sie auf der Straße hab rumtorkeln sehen«, erzählt sie weiter.
    »Sie rauchen?« Das macht mich fassungslos.
    »Nur Zigarren«, sagt Frau Krohn. »Und nur wirklich gute. Wo war ich? Genau, Sie torkelten auf der Straße rum, als ich gerade eine hervorragende Havanna rauchte. 2005 in Kuba gerollt, noch Fragen?«
    Ich schüttle den Kopf und habe Angst davor, dass sie weiterredet und schlimme Dinge über mich sagt. Was sie tatsächlich auch tut.
    »Sie haben gebrüllt, dass Sie ein Opa wären oder so was Ähnliches, und Sie haben diesen Holzschläger da geschwungen.« Sie deutet auf den Baseballschläger, der neben ihrem Stuhl liegt.
    Gott, ist das entsetzlich. Ich war doch wohl nicht wirklich auf der Straße und habe »Ich bin ein Oger!« gebrüllt (nur das kann Frau Krohn mit dem Opa gemeint haben)? Jedenfalls erinnere ich mich nicht daran. Ich erinnere mich nur daran, dass ich Mia irgendwie erreicht habe, sie mir aber auch nicht
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