Die neue arabische Welt
Arabisch. Besonders Iraner spielten, wie der libanesisch-britische Orientalist Albert Hourani urteilte,
»eine bedeutende Rolle bei der Ausformung des Gedanken-und Rechtssystems, das im Koran wurzelte«.
Als Hauptstadt der Abbasiden wurde Bagdad am Ufer des Tigris zur prachtvollen Metropole ausgebaut. Waren die Umajjaden in Damaskus wie mächtige arabische Stammesscheichs aufgetreten, so hielten die Abbasiden in Bagdad wie orientalische Großkönige Hof. Im ersten Drittel des 9. Jahrhunderts wurde Bagdad zur ersten Millionenstadt und zu einem geistigen Zentrum der damaligen Welt. Hierhin drängten Übersetzer aus aller Welt, zum ersten Mal in der Geschichte wurde in Bagdad Wissenschaft in internationalem Rahmen betrieben.
Aber das Kalifenreich war zu groß geworden, um noch von einem einzigen Zentrum aus beherrscht werden zu können. Indem es in regionale Teilreiche zerfiel, begann es zu schrumpfen. Vom Jahr 909 an etablierte sich im tunesischen Kairouan erstmals ein dauerhaftes Gegenkalifat als Herausforderer der Abbasidenkalifen. Die tunesischen Fatimiden führten ihre Abstammung auf die Prophetentochter Fatima, Ehefrau des schiitischen Stammvaters Ali, zurück und stützten sich auf Berber-Krieger. Sie erklärten sich zu den wahren Erben Mohammeds und wurden als erste schiitische Dynastie eine politische Macht.
Ein weiteres Reich entstand auf der Iberischen Halbinsel, wo Abd al-Rahman – ein Umajjadenspross, der dem blutigen Machtwechsel entkommen war – eine eigene Dynastie begründete. Seine Hauptstadt Córdoba, Andalusiens wirtschaftlich und kulturell blühende Metropole, avancierte zur größten Stadt im Europa seiner Zeit. Einer seiner Nachkommen, Abd al-Rahman III., nahm im Jahr 929 ebenfalls den Kalifentitel an.
Die tunesischen Fatimiden eroberten 969 die Macht in Ägypten. Die neue Hauptstadt Kairo, die sie am Ufer des
Nils bauten, konnte sich auf die Kornkammer des Nildeltas und die Rohstoffe Nordafrikas stützen, lag günstig für den Mittelmeerhandel und verfügte über beste Verbindungen zu den Märkten am Indischen Ozean. Die Fatimiden errichteten in Kairo die erste Universität der Welt, die bis heute bestehende al-Azhar. Binnen relativ kurzer Zeit schloss Kairo mit seiner politisch-kulturellen Ausstrahlung zu Bagdad und Córdoba auf.
So existierten um das Jahr 1000 neben regionalen Dynastien (wie etwa den Idrisiden in Fès) drei arabisch-islamische Reiche: die sunnitischen Kalifate der Abbasiden in Bagdad und der Umajjaden in Córdoba sowie das schiitische Kalifat der Fatimiden in Kairo.
Das größte von ihnen war das der Abbasiden. Doch in Bagdad erodierte die Macht der Herrschenden zusehends – das Reich war einfach zu groß geworden. Der riesige bürokratische Apparat, der die Befehle der Herrscher umsetzen sollte, erstarrte und verknöcherte, die Kalifen waren den gewöhnlichen Sterblichen völlig entrückt. Und das islamische Imperium ereilte das gleiche Geschick, das einst dem Imperium Romanum widerfahren war. »Wie die römischen Kaiser«, schreibt Ansary, »umgaben sich die Abbasidenkalifen mit einer Leibwache, und wie in Rom verwandelte sich diese Leibwache schließlich in den Schwanz, der mit dem Hund wedelt.«
Ein Sohn des legendären Kalifen Harun al-Raschid hatte 815 damit angefangen, junge türkische Sklaven, die »Mamluken«, als Elitesoldaten auszubilden. Als Jugendliche verschleppt, ohne Stammes- und Familienbindung, waren sie anfangs nur ihrem Herrscher ergeben. Sie konnten aber freikommen, sogar zu Offizieren und Generälen aufsteigen. Bald herrschten ehemalige Sklaven und deren Nachkommen als Mamlukensultane. Diese setzten die Kalifen
nach Belieben ein- und ab, während das Abbasidenkalifat formell fortbestand.
Die christlichen Kreuzzüge ab 1095 trafen Palästina und den Orient in einer Epoche der politischen Zersplitterung, Verunsicherung und Barbarisierung, die vom Einfall der türkischen Seldschuken geprägt war. Deshalb dauerte es fast ein Jahrhundert, bis der Heerführer Saladin, der zum Herrscher über Ägypten und Syrien geworden war, die Eindringlinge im Jahr 1187 aus Jerusalem vertreiben konnte. Zuvor hatte er, um die Muslime im Kampf gegen die Christen zu einigen, die schiitische Ära in Kairo beendet. Er unterstellte Ägypten wieder dem abbasidischen Kalifat von Bagdad.
Doch im Mongolensturm, der die islamische Welt weit tiefer erschütterte als die Kreuzzüge, gingen 1258 auch die Abbasiden samt ihrer prächtigen Metropole Bagdad unter. Baibars, der
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