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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder
Autoren: Joerg Kastner
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Überanstrengung seiner Sinne. Er vergaß sein Versprechen, und seine ganze Dankbarkeit für die Errettung galt dem himmlischen Vater, zu dessen Ehren er die Abtei von Mondsee gründete.«
    »Damit holte er noch mehr Menschen ins Land, die das Elbenvolk vertrieben«, fügte Ursinus hinzu. »Er hatte sein Versprechen doppelt gebrochen, aber der Fluch der Nebelkinder ereilte ihn bald. Er starb zu Beginn des folgenden Jahres, als er gerade die Urkunde zur Stiftung der Abtei unterzeichnet hatte.«
    »Mir war nicht bekannt, dass Herzog Odilo an einem Fluch gestorben ist«, äußerte Graf Agilbert seinen Unglauben. »Ich dachte, sein Herz sei alt und schwach gewesen, zermürbt vom langen Kampf gegen die Franken. Deshalb habe es aufgehört zu schlagen.«
    »So schreiben es die Chronisten«, bestätigte Graman.
    »Doch im Volk erzählt man sich, ein Elbenstrahl habe Odilos Blut vergiftet.«
    »Dummes Geschwätz!«, stieß Agilbert laut hervor.
    Graman blickte den stämmigen Hochburgunder düster an. »Hier in Mondsee glaubt man an den Fluch der Nebelkinder. Noch heute liegt er auf dem Ort, auf dem ganzen Land. Deshalb ziehen sich die Menschen in nebligen Nächten in ihre Häuser zurück und flehen Gottvater um Schutz an.«
    »Oder auch ihre alten heidnischen Götter«, sagte Manegold mit deutlichem Widerwillen.
    »Aber das alles ist doch bloß eine Legende!«, bellte Jodokus.
    »Und Graf Chlodomers Tod?«, fragte Graman mit einem Blick auf den Leichnam. »Vergiss nicht den Elbenstrahl, Hauptmann. Und der Gefangene, wirkt er auf dich wie ein Mensch?«
    In den kleinen Augen des Hauptmanns blitzte es auf. »Wenn er ein Elb ist, ein Nebelkind, dann ist er auch schuldig am Tod des Grafen. Dann hat er den Elbenstrahl gesandt!«
    Zustimmendes Gemurmel erhob sich.
    »Er oder ein anderer Elb«, fiel Guntram in das Gerede ein. »Das rothaarige Wesen, das Albin erspäht hat.«
    »Und wo ist dieser rothaarige Elb?«, fragte Jodokus.
    »Leider entkommen«, antwortete Guntram leise. »Meine Soldaten haben das Kloster und das Dorf durchsucht, ohne Erfolg.«
    Jodokus reckte angriffslustig sein stoppeliges Kinn vor. »Dann sollten wir uns an den Gefangenen halten. Ob er der Meuchler ist oder nicht, er hat sich in die Abtei geschlichen. Den Grund dafür muss er uns verraten, und wenn nicht freiwillig, dann eben unter der Folter.«
    Wieder erntete Jodokus die Zustimmung der Gesandten. Nur Guntram schwieg.
    Nach einer Weile des Nachdenkens sagte der Graf: »So sei es. Sobald die Sonne Nacht und Nebel vertrieben hat, wird der Gefangene erneut befragt. Redet er nicht freiwillig, werden wir seine Zunge mit Gewalt lösen!«
    Albin verließ das Refektorium zusammen mit seinem Ziehvater. Schweigsam durchwanderten sie die halbdunklen Gänge der Abtei. Albins Gedanken waren bei dem Gefangenen. Der Findling malte sich aus, wie es dem Fremden unter der Folter ergehen würde. Die Bilder, die vor Albins innerem Auge abrollten, waren alles andere als schön. Er war froh, als Gramans Worte ihn aus den düsteren Gedanken rissen. Sie standen an der Abzweigung, wo der eine Gang den Infirmarius zum Dormitorium der Mönche und der andere Albin zum Schlafsaal der Bediensteten führte.
    »Versuche für den Rest der Nacht Schlaf zu finden, Albin.«
    »Wirst du schlafen, Nonus?«
    Graman lächelte matt. »Wohl kaum, du hast Recht. An diesem Abend geschah zu vieles, das meine Gedanken beschäftigt.«
    »Meine auch. Eine Menge Fragen schwirren in meinem Kopf herum. Vielleicht kannst du mir einige davon beantworten, Nonus.«
    Der alte Mönch legte den Kopf schief und sah seinen Schützling abwartend an.
    »Ich bin dabei, vom Knaben zum Mann zu reifen«, sagte Albin. »Aber mein Körper will der eines Kindes bleiben.«
    »Das stimmt nicht, du bist sehr kräftig für dein Alter.«
    »Aber auch recht klein.«
    Als Albin dies sagte, bemerkte er ein leichtes Zittern auf Gramans Zügen. Der Mönch bekam sich schnell wieder in die Gewalt und erwiderte: »Du kannst noch wachsen, Albin.«
    »Vielleicht. Aber ich bin schon lange nicht mehr gewachsen. Warum nicht?«
    Graman bemühte sich um Gelassenheit, aber es gelang ihm nicht ganz. »Woher soll ich das wissen?«, entgegnete er und seine unruhigen Finger gruben sich in die Falten seiner Kutte.
    »Ich kenne meine Elter" nicht. Du hast mich gefunden, als ich noch sehr klein war, Nonus.«
    »Und?«, fragte Graman, der unter Albins prüfendem Blick zusehends unruhiger wurde.
    »Weißt du mehr als ich über meine Abstammung? Hängt
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