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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Angst und Entsetzen auf die Barke von Avalon starrten.
    Unbeobachtet erreichten sie das Ufer, unbeobachtet ging sie an Land und sah zu, wie die schwarz verhängte Barke wieder im Nebel verschwand. Dann schritt sie mit dem Korb über dem Arm, wie eine alte Marktfrau oder eine Bettlerin auf einer Pilgerfahrt, den Pfad hinauf.
    Es
ist erst hundert Jahre her… vielleicht noch nicht einmal so lange

in Avalon ganz bestimmt nicht… daß die Welten sich getrennt haben. Aber die Welt hier ist bereits anders.
Andere Bäume standen hier, die Wege verliefen anders, und verwirrt blieb Morgaine am Fuß eines kleinen Hügels stehen… das gab es doch in Avalon nicht? Sie hatte geglaubt, das Land sei gleich, nur die Gebäude seien verschieden, denn schließlich war es
eine
Insel, die nur eine magische Nebelwand trennte… aber jetzt sah sie, daß sich Avalon von der Insel der Priester sehr unterschied. Und dann entdeckte sie die Prozession der Mönche, die sich der kleinen Kirche näherte. Mit sich führten sie auf einer Bahre einen Leichnam.
    Also habe ich richtig gesehen, obwohl ich glaubte, es sei ein Traum.
    Morgaine blieb stehen. Die Mönche stellten die Bahre vor der Kirche ab, sie trat näher und schlug das Leichentuch zurück. Lancelots Gesicht wirkte eingefallen und gezeichnet. Es schien weit älter zu sein als damals bei ihrem Abschied… sie wollte nicht darüber nachdenken, wie viel älter. Aber im nächsten Augenblick sah sie auf seinem Gesicht nur noch den Ausdruck eines süßen und wunderbaren Friedens. Er lächelte und blickte weit über sie hinaus, und sie wußte, was seine sterbenden Augen erblickt hatten. Sie flüsterte: »Du hast am Ende deinen Gral gefunden.«
    Einer der Mönche fragte: »Kanntest du ihn draußen in der Welt, Schwester?«
    Sie begriff, daß er sie in dem dunklen Gewand für eine Nonne hielt.
    »Er war… ein Verwandter…«
    Vetter, Liebhaber, Freund… aber das liegt schon lange zurück. Am Ende waren wir Priesterin und Priester.
    »Ich dachte es mir«, sagte der Mönch, »denn an König Artus' Hof nannte man ihn früher Lancelot. Bei uns hieß er Galahad. Er hat viele Jahre hier gelebt und wurde erst vor wenigen Tagen zum Priester geweiht.«
    Soweit bist du auf deiner Suche nach einem Gott gekommen, der dich nicht verspotten würde, mein Vetter.
    Die Mönche hoben die Bahre wieder auf ihre Schultern. Der alte Mann, der mit ihr gesprochen hatte, sagte: »Bete für seine Seele, Schwester.« Und Morgaine neigte den Kopf.
    Sie konnte keine Trauer empfinden… nicht, nachdem sie den Widerschein des fernen Lichtes auf seinem Gesicht gesehen hatte. Aber sie folgte ihm nicht in die Kirche.
    Der Schleier ist hier nur dünn. Galahad kniete damals hier und sah das Licht der anderen Kapelle, der Kapelle auf Avalon. Er streckte die Arme nach dem Licht aus. Aber bei seinem Griff in die andere Welt starb er … Und hier ist Lancelot ans Ende gelangt, um seinem Sohn zu folgen…
    Morgaine ging langsam weiter und dachte daran, ihren Plan aufzugeben. Was bedeutete er jetzt noch? Als sie unentschlossen stehenblieb, hob ein alter Gärtner, der in einem Blumenbeet neben dem Weg kniete, den Kopf und sprach sie an. »Ich kenne dich nicht, Schwester. Du lebst nicht hier«, sagte er, »bist du eine Pilgerin?«
    In gewisser Weise war sie das, wenn auch keine Pilgerin, wie der Mann sie sich vorstellte. »Ich suche das Grab meiner Verwandten… sie war die Herrin vom See…«
    »Ach ja, das war vor vielen, vielen Jahren, als unser guter König Artus noch regierte«, erwiderte er. »Ja, es liegt dort drüben, wo die Pilger es sehen, die auf die Insel kommen. Von dort führt ein Weg hinauf zum Kloster der Nonnen. Wenn du hungrig bist, Schwester, werden sie dir etwas zu essen geben.«
    Ist es soweit gekommen, daß ich schon wie eine Bettlerin aussehe?
Aber der Mann hatte es gut gemeint. Deshalb dankte sie ihm und ging in die Richtung, die er ihr gewiesen hatte. Artus hatte Viviane wirklich ein würdiges Grabmal errichten lassen. Aber hier lag nicht Viviane. Hier lagen nur Knochen, die langsam wieder zur Erde zurückkehrten, aus der sie gekommen waren…
Und am Ende legen alle ihren Geist und ihren Körper wieder in die Hände der Herrin …
Weshalb hatte ihr das damals soviel bedeutet? Viviane war nicht hier.
    Aber als sie mit gesenktem Kopf vor dem Grab stand, weinte sie. Nach einiger Zeit näherte sich ihr eine Frau in einem dunklen Gewand und einem weißen Schleier über dem Gesicht. »Warum weinst du, Schwester?
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